Tollwut zählt zu den gefährlichsten Virus-Erkrankungen überhaupt. Lesen Sie hier, wie ein Biochemiker und ein Bäckersohn im Kampf gegen diese tödliche Krankheit Medizingeschichte schrieben.
Bis vor etwa 130 Jahren galt eine Infektion mit Rabies als sicheres Todesurteil - auch heute noch sterben weltweit 50.000 Menschen jährlich an Tollwut. Obwohl erste Versuche mit einem Impfstoff von Pierre Victor Galtier durchgeführt wurden, bleibt die Entwicklung des Impfstoffs mit dem Namen Louis Pasteur verbunden. Der französische Chemiker experimentierte mit der Übertragung des Erregers aus der Hirnsubstanz eines infizierten Hundes an mehrere Kaninchen. So konnte er endgültig nachweisen, dass der Erreger das Nervensystem angreift.
Tollwut-Patient (Quelle: istock)
Impfstoffes. 1881 testete er bereits einen Impfstoff an Schafen. Er schaffte es, den Tollwut-Erreger auf Kaninchen zu übertragen, und verabreichte den Schafen das virulente Material. Gegen eine später tödliche Dosis waren sie damit geschützt.1,2 Es ist sehr wahrscheinlich, dass Pasteur von Galtiers Erkenntnissen wusste. Für seinen eigenen Impfstoff trocknete Pasteur das Rückenmark eines infizierten Kaninchens 14 Tage lang in keimfreier Umgebung mit Kaliumhydroxid. Aufgelöst in destilliertem Wasser verabreichte er einigen Hunden die Mischung, am nächsten Tag eine Suspension mit 13 Tagen getrocknetem Rückenmark, und darauf folgend täglich eine um einen Tag kürzer getrocknete Suspension. Nach zwei Wochen injizierte er den Hunden schließlich infektiöses Rückenmark und stellte fest, dass der Ausbruch der Krankheit ausblieb3.
Pierre Victor Galtier (1846-1908) (Quelle: wikiphoto)
Pasteur ging mit seinen Erkenntnissen an die Öffentlichkeit. Außerhalb von Paris wurde ein Labor errichtet, in dem weiter mit geimpften, infizierten und nicht-infizierten Hunden geforscht wurde. Noch zögerte er, den Impfstoff auch bei Menschen einzusetzen. Da kam der Bäckersohn Joseph Meister ins Spiel. Der Neunjährige war 14-mal von einem tollwütigen Hund gebissen worden und reiste auf Anraten seines Arztes gemeinsam mit seiner Mutter nach Paris, um Pasteur aufzusuchen. Der Kinderarzt Jacques-Joseph Grancher injizierte ihm schließlich Pasteurs Impfstoff über 14 Tage in der gleichen Weise wie bei den vorangegangenen Experimenten.
Kinderarzt Jacques-Joseph Grancher impft den neunjährigen Joseph Meister. (Quelle: istock)
Die letzten drei Injektionen mit zunehmend stärkerer Konzentration des Erregers verabreichte Pasteur auch einem Hund, um zu sehen, ob Joseph Meister tatsächlich durch die Impfungen immun wurde. Während der Hund verstarb, überlebte Joseph Meister. Somit war bewiesen, dass die postexpositionelle Impfung wirksam ist.
Louis Pasteur war der Kampf gegen die Tollwut ein besonderes Anliegen. Nicht zuletzt aufgrund einer Kindheits-Erinnerung. Im Alter von 7 Jahren musste er den qualvollen Tod eines in seiner Nachbarschaft lebenden jungen Mannes miterleben.4 Zum damaligen Zeitpunkt war die Rettung von Joseph Meister eine Sensation. Pasteur und Meister blieben ein Leben lang verbunden. Der gelernte Bäcker übersiedelte Jahre später sogar nach Paris, um am inzwischen gegründeten Pasteur-Institut als Pförtner zu arbeiten. Auf das Konto des berühmten Forschers gingen unter anderem Impfstoffe gegen Geflügel-Cholera und Milzbrand. Mit „Pasteurisierung“ trägt das Verfahren zum Haltbarmachen von Flüssigkeiten, das ebenfalls Pasteur zugeschrieben wird, bis heute seinen Namen.
Referenzen
1) V. Galtier. Les injections de virus rabique dans le torrent circulatoire ne provoquent pas l’éclosion de la rage et semblent conférer l’immunité. La rage peut être transmise par l’ingestion de la matière rabique. In: Comptes rendus de l’Académie des sciences. Band 93, 1881, S. 284 f.
2) R. Rosset: Pierre Victor Galtier, in: Pasteur et la Rage. Informations Techniques des Services Vérrinaires, Paris 1985, Nos. 92-95, pp. 44-50
3) https://www.aerzteblatt.de/archiv/77449/Geschichte-der-Medizin-Louis-Pasteur-Joseph-Meister-und-die-Tollwutimpfung (zuletzt aufgerufen am: 21.08.2017)
4) Geison: The Private Science of Louis Pasteur
SAAT.SA.17.08.0448