Die richtige therapeutische Strategie für Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen zu finden, stellt für Ärzte eine große Herausforderung dar. Wissenschaftler haben jetzt untersucht, welches therapeutische Potenzial Pharmaka und Psychotherapien haben.
Zwangsstörungen äußern sich in Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen. Bei mehr als 90 Prozent aller Patienten treten beide Symptome auf. Bekannte Zwangsgedanken sind aggressive Phantasien, Grübeln, Zweifel, Befürchtungen, Wiederholungen sowie der Zählzwang. Bei Zwangshandlungen nennt die Literatur unter anderem den Kontroll-, Ordnungs- oder Reinlichkeitszwang. Schätzungen zufolge liegt die Ein-Jahres-Prävalenz in Deutschland bei 3,8 Prozent. Der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) zufolge sind bundesweit etwa 2,3 Millionen Menschen betroffen. Petros Skapinakis vom University College London hat jetzt eine Übersichtsarbeit zu möglichen Therapien veröffentlicht. Er fand 17 therapeutische Strategien mit unterschiedlicher Effektivität.
Skapinakis zufolge verordneten Ärzte häufig selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder das trizyklische Antidepressivum Clomipramin. Auf der Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (YBOCS) verbesserte sich die Symptomatik bei Clomipramin um 4,72 Punkte, und bei allen untersuchten sechs SSRI um 3,42 bis 3,60 Punkte. Allerdings sei der Unterschied zu Clomipramin nicht signifikant, berichtet Skapinakis. Hypericum-Extrakte bewegten sich mit 0,15 Punkten auf Placebo-Level.
Dass es Möglichkeiten jenseits der Pharmakotherapie gibt, steht außer Frage. Laut Skapinakis führten Verhaltenstherapien zur Verbesserung um 14,48 Punkte laut YBOCS, und bei kognitiven Therapien betrug der Unterschied zur Vergleichsgruppe 13,36 Punkte zur Vergleichsgruppe. Die mittlerweile recht häufig eingesetzte kognitive Verhaltenstherapie schnitt mit 5,37 Punkten eher mäßig ab. Unklar bleibt jedoch, welchen Beitrag Psychotherapien leisten – meistens verschreiben Ärzte zusätzlich Medikamente.
Für Deutschland gibt die S3-Leitlinie „Zwangsstörungen“ detaillierte Hinweise. Sie enthält insgesamt 71 Empfehlungen und Statements. Bei den psychotherapeutischen Verfahren steht kognitive Verhaltenstherapien an erster Stelle. Sie sollten fortgesetzt werden, bis sich der YBOCS-Wert um 50 Prozent verringert, heißt es im Dokument. Bei mangelndem Erfolg, zu langer Wartezeit oder Ablehnung durch den Patienten empfehlen die Autoren Pharmaka als Monotherapie. SSRI wie Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin oder Sertralin werden bevorzugt genannt. Allerdings hat Citalopram in Deutschland keine Zulassung bei Zwangsstörungen. „Da alle SSRI klinisch vergleichbar gut wirksam sind, soll die Auswahl des SSRI anhand des Profils unerwünschter Wirkungen und möglicher Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten erfolgen“, empfehlen Neurologen. Und weiter: „Zur Erhaltungstherapie sollten SSRI in der zuletzt wirksamen Dosis weiter eingesetzt werden.“