Neue MS-Medikamente greifen B-Zellen an
Bis vor Kurzem konzentrierte sich die MS-Forschung vor allem auf die T-Zellen. Sie sind die „Wächter“ der Immunabwehr, die beispielsweise bei Infektionen mit Viren oder Bakterien Alarm schlagen. Bei etwa jeder tausendsten Person gerät die Fähigkeit der zellulären Aufpasser, zwischen körpereigenen und fremden Strukturen zu unterscheiden, durcheinander. Resultat ist, dass die fehlgeleiteten T-Zellen das eigene Nervengewebe attackieren – der Beginn von MS. Allerdings sind die T-Zellen nicht allein verantwortlich. „Auf die Spur, dass auch die B-Zellen eine wichtige Rolle in der Pathogenese spielen, führte uns eine Klasse von MS-Medikamenten namens Rituximab und Ocrelizumab“, erläutert Roland Martin. Diese beseitigen die B-Zellen, was die Hirnentzündung und die Krankheitsschübe der Patienten sehr wirksam hemmt.
B-Zellen als Mittäter entlarvt
Die konkrete Rolle der B-Zellen ermittelten die Forscher mit Hilfe eines experimentellen In-vitro-Systems, mit dem Blutproben untersucht werden können. Im Blut von MS-Betroffenen zeigte sich eine erhöhte Aktivierung und Zellteilung jener T-Zellen, die sich gegen die körpereigenen Nervenfaserhüllen richten. Auslöser waren B-Zellen, die mit den T-Zellen interagieren. Wurden die B-Zellen eliminiert, hemmte dies sehr wirksam die T-Zellvermehrung. „Damit“, so Martin, „ist es uns gelungen, den bisher noch unklaren Wirkmechanismus dieser MS-Medikamente zu entschlüsseln.“
Aktivierte T-Zellen wandern ins Gehirn
Das Team entdeckte zudem, dass sich unter den aktivierten T-Zellen im Blut insbesondere solche befinden, die bei Krankheitsschüben von MS-Patienten auch im Gehirn auftreten. Vermutlich sind sie für die Entzündungsherde verantwortlich. Weitere Untersuchungen zeigten, dass diese T-Zellen Strukturen eines Proteins erkennen, das sowohl von den B-Zellen wie auch von Nervenzellen im Gehirn produziert wird. Nach der Aktivierung im peripheren Blut wandern die T-Zellen auf diese Signale hin ins Gehirn ein, wo sie das Nervengewebe zerstören. „Unsere Resultate erklären nicht nur, wie die neuen MS-Medikamente wirken, sondern bahnen auch den Weg für neue Ansätze in der MS-Grundlagenforschung und -therapie“, folgert Roland Martin.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Zürich.