Spätestens seit dem Sex-Bestseller „Fifty Shades of Grey“ ist Sex und Leidenschaft gesellschaftlich kein Tabuthema mehr. Auch Wissenschaftler gehen dem Geheimnis von Liebe, Orgasmus und der beteiligten Hirnbereiche mit immer größer werdendem Interesse nach. Die Frage: Sind Liebe, Lust und Leidenschaft nichts anderes als ein romantischer Cocktail aus Hormonen und Neurotransmittern?
„Ich liebe dich“ – kein anderer Satz lässt das Herz so hoch schlagen wie diese berühmten drei Worte. Doch wie gelangen hunderte Schmetterlinge in unseren Bauch und was passiert mit dem Gehirn bei sexueller Erregung? Die Antwort auf die Fragen nach den körperlichen Reaktionen finden wir, wie so häufig, bei den Hormonen und Neurotransmittern. Der berühmteste Vertreter hierbei ist das „Kuschelhormon“ Oxytocin. Das Effektorhormon des Hypothalamus ist bei Ärzten bekannt für die Entstehung von Wehen und Milchdrüsensekretion der Frau und für die Kontraktion der Samenkanälchen beim Mann. Tatsächlich werden seiner Wirkung noch weitaus mehr Effekte zugeschrieben.
Hormone zum Kuscheln
Oxytocin und Vasopressin, welche sich durch Oxytocin nur um zwei Aminosäuren unterscheidet, sollen maßgeblich an der Regulation von Sexualverhalten, Bindungen, Muttergefühlen und sogar Aggressionen beteiligt sein. Das schon seit 1970 bekannte Oxytocin spielt in vielerlei Sozialverhalten eine entscheidende Rolle: Vertrauen, Monogamie, Angst und Stress. Der biologische Hintergrund des „Kuschelhormon“ getauften Botenmoleküls soll Folgender sein: Das Peptid beeinflusst die neuronale Transmission im Gehirn, indem es bestimmte inhibitorische Interneurone hemmt und durch diese „Hemmung der Hemmung“ die exzitatorischen neuronalen Signale freigibt. Somit soll es unterschiedliche Reize wie zum Beispiel der Schrei des Neugeborenen verstärken. Experimentelle Studien mit Mäusen zeigten, dass Oxytocin bei der Erkennung und Interaktion von Sozialverhalten hilft und die Reaktion auf soziale Stimuli wie visuelle oder akustische Zeichen verstärkt.
Alte Bekannte: Sexualhormone und Dopamin
Nun kommen wir der Sache näher. Denn zur Liebe gehört nicht nur die emotionale Bindung, sondern bekanntlich auch das Sexualleben. Östrogene lösen die periodisch auftretende sexuelle Erregung der Frau aus. Das im Ovar gebildete Hormon ist für die Ausbildung der Geschlechtsmerkmale und für eine Schwangerschaft unerlässlich – genauso wie für die Libido. Ähnlich ist es beim Mann: Testosteron beeinflusst das Wachstum, die Libido und die Potenz. Der Vollzug des sexuellen Aktes benötigt also den Einsatz der Steroidhormone.
Doch für die Lust im Bett spielt ein weiteres Hormon aus dem Hypothalamus eine wichtige Rolle: Dopamin als Neurotransmitter für die Belohnungsregion der Basalganglien im Gehirn. Das nachweislich am Suchtverhalten beteiligte Hormon wird auch beim Höhepunkt ausgeschüttet und macht damit Lust auf mehr. Impulsstörungen, wie sie bei Parkinson auftreten können, belegen die Libido steigernde Wirkung des dopaminergen Systems– und das im Gehirn. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass sexuelle Erregung zunächst im Kopf stattfindet und nicht in unseren Geschlechtsteilen. Genau deswegen werden bei Störungen der Lust potenzsteigernde Mittel wie die bekannten PDE-5-Hemmer, sprich Viagra, wirkungslos bleiben.
Orgasmuslüge aufgeklärt
Lust entsteht also als Erstes im Gehirn. Dank der Entwicklung bildgebender Verfahren ist es in den letzten Jahren möglich geworden, live darzustellen, was während des Geschlechtsverkehrs und Höhepunktes innerhalb des Körpers geschieht. Ein besonderes Interesse gilt den geschlechterspezifischen Unterschieden der neurologischen Prozesse im Großhirn bei Mann und Frau. Lange waren Forscher der Ansicht, bei Frauen würden bestimmte Kontrollareale des Cortex wie der orbitofrontale Cortex und Teile des Präfrontalen Cortex zur Erfüllung des Höhepunktes abgestellt werden. Heute weiß man dank fMRT-Aufnahmen: das weibliche Gehirn schaltet beim Orgasmus ganz und gar nicht ab. In einer Studie brachten sich weibliche Probandinnen innerhalb des MRT’s mit und ohne Partner zum Höhepunkt – zeitgleich zeigten die Aufnahmen die Durchblutung der aktiven Gehirnareale. Die Ergebnisse: Der weibliche Kopf fährt nicht, wie durch vorherige Studien suggeriert, die moralischen Kontrollinstanzen im Frontallappen herunter, sondern ist stattdessen besonders aktiv: Die Gehirnaktivität steigerte sich bis zur Spitze des Orgasmus. Es wurden keinerlei Hinweise auf jegliche Deaktivierung gefunden. Stattdessen zeigten der sensorische und motorische, der frontale Cortex und Hirnstammbereiche Aktivitäten: Nucleus accumbens, Insula, Cingulum, orbiofrontaler Kortex, ventrales Tegmentum, Amygdala, Hippocampus, Hypothalamus,... Die Basalganglien als Teil des limbischen Systems spielen hierbei eine ähnlich große Rolle wie der Hypothalamus, in denen Dopamin und Oxytocin gebildet werden.
Die vielen beteiligten Hormone und ihre – von Forschern immer noch untersuchte - Wirkung auf soziale und sexuelle Interaktionen und Gruppenverhalten, zeigen eine ganz andere Interpretation von „Liebe ist unbeschreiblich“. Nichtsdestotrotz sollten in Partnerschaften romantischere Worte fallen als „Du bringst meine Amygdala zum Beben“.
Quellen:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4409554/
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29244625
http://www.parkinson-web.de/content/leben_mit_parkinson/sexualitaet/index_ger.html
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1743609517313966