Die Tuberkulose-Behandlung scheitert häufig an resistenten Erregern. Jetzt haben Forscher eine neue Therapie entwickelt, die ohne Antibiotika auskommt. Im Tiermodell wurde das neue Tuberkulose-Medikament bereits erfolgreich getestet.
Eine zehnjährige Studie [Paywall] hat das erste antibiotikafreie Medikament zur erfolgreichen Behandlung von Tuberkulose bei Tieren hervorgebracht. Der Wirkstoff greift das Mycobacterium tuberculosis nicht direkt an, sondern zielt auf dessen Abwehr. So könnten auch immer häufiger auftretende resistente Stämme bekämpft werden.
Wie funktioniert das Mittel? Ein Team aus Biologen und Chemikern konzentrierte sich auf Virulenzfaktoren von Tuberkulose-Bakterien, die die Immunantwort auf die Infektion blockieren und dadurch die Behandlung erschweren. So konnten sie den Virulenzfaktor „Mycobacterium tuberculosis Protein-Tyrosin-Phosphatase-B“ (MptpB) als Ziel identifizieren. Wird dieser selektiv inhibiert, können die Leukozyten das Mycobacterium tuberculosis effizienter abtöten. „Das Tolle an MptpB ist, dass es beim Menschen keine ähnliche Struktur gibt – also ist unser Präparat, das MptpB blockiert, nicht giftig für die menschlichen Zellen“, erklärt die Projektleiterin Lydia Tabernero.
Die Forscher behandelten Meerschweinchen mit akuter und chronischer Tuberkulose über einen Zeitraum von vier Wochen. Der oral verabreichte Wirkstoff konnte die bakterielle Belastung in den Versuchsobjekten signifikant senken, und das als Monotherapie. Im Vergleich mit der Placebo-Gruppe wies die Versuchsgruppe bei einer Kontrolle nach 56 Tagen weniger Entzündungen und kleinere Läsionen in Lunge und Milz auf. Bei weiteren Tests konnte durch den Inhibitor das Überleben multiresistenter Tuberkulosestämme in Maus-Makrophagen verhindert und auch die Effizienz von Antibiotika wie Rifampicin und Isoniazid erhöht werden.
Das Team der University of Manchester arbeitete die letzten zehn Jahre an dem Medikament und hofft nun, innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre klinische Studien auf den Weg zu bringen. Der Bedarf ist hoch: Weltweit ist nach epidemiologischen Untersuchungen davon auszugehen, dass bis zu einem Drittel der Weltbevölkerung mit Mycobacterium tuberculosis infiziert ist. Es wird geschätzt, dass hiervon fünf bis zehn Prozent eine behandlungspflichtige Tuberkulose entwickeln. Jährlich kommt es zu etwa neun Millionen Neuerkrankungen, während die Anzahl der jährlichen Todesfälle mit etwa zwei Millionen beziffert wird. Damit ist die Tuberkulose die häufigste behandelbare bakterielle Infektionskrankheit, die zum Tode führt.
In Deutschland weisen etwa 10 bis 15 Prozent der Tuberkulose-Erreger eine Einfachresistenz auf, zwei Prozent der Stämme sind multiresistent. Während Einfachresistenzen bei einer Mehrfachtherapie problemlos sind, verlängern Mehrfachresistenzen die Behandlung. Die sechs- bis neunmonatige Einnahme verschiedener Antibiotika bringt aufgrund der Nebenwirkungen häufiger eine mangelnde Compliance mit sich. Ein antibiotikafreier Wirkstoff würde dieses Problem umgehen.