Im Alter nimmt die Leistungsfähigkeit des Immunsystems stetig ab. Ältere Menschen sterben daher häufiger an Infektionen. Jetzt haben Forscher eine Möglichkeit gefunden, das Immunsystem wieder zu stärken – mit einem Medikament, das bei Organtranplantationen eingesetzt wird.
Ältere Menschen leiden häufiger an Infektionen als Menschen in jungen Jahren. Laut Schätzungen treten 85 Prozent aller Pneumonie- und Influenza-Todesfälle bei Patienten über 65 Jahren auf. Grund dafür ist die Immunoseneszenz: Die Leistungsfähigkeit des Immunsystems lässt mit zunehmendem Alter nach.
„Dies führt zu hohen Infektionsraten und unzureichenden Reaktionen auf Impfungen“, sagt Dr. Joan Mannick. Sie arbeitet beim Start-Up resTORbio in Boston, Massachusetts. In einer aktuellen Studie zeigte sie, dass das Immunsuppressivum Everolimus ältere Menschen vor Infektionen schützt.
Bessere Reaktion auf Impfungen
Everolimus wird hochdosiert bei Organtransplantationen oder Krebstherapien eingesetzt und wirkt über das Enzym mTOR. Das Enzym ist an verschiedenen Prozessen wie Proliferation und Differenzierung von Zellen, aber auch an der Regulation des Immunsystems beteiligt. Es liegt stets in einem Komplex mit anderen Proteinen vor, entweder mit TORC1 oder TORC2. Schon länger vermutet man, dass mTOR mit Immunoseneszenz in Verbindung steht. Bei Mäusen führt eine genetische Hemmung von mTOR-Inhibitoren zu weniger Alterserkrankungen.
Weniger Infektionen im Alltag
Für ihre Phase-2a-Studie rekrutierte Mannick 264 Probanden über 65, die keine schwerwiegenden medizinischen Probleme hatten, und teilte sie nach dem Zufallsprinzip in vier Gruppen ein. Sie erhielten pro Tag 0,1 mg Everolimus oder Placebo, 0,5 mg Everolimus oder Placebo, 10 mg BEZ235 oder Placebo bzw. 0,1 mg Everolimus plus 10 mg BEZ235 oder Placebo. BEZ235 ist ein TORC1-Inhibitor mit anderem Wirkmechanismus als Everolimus.
Bei der Kombination der beiden TORC1-Inhibitoren Everolimus und BEZ235 kam es zu 1,49 Infektionen und unter der BEZ235-Monotherapie zu 1,61 Infektionen pro Person und Jahr. Im Vergleich dazu gab es in der Placebogruppe 2,41 Infektionen pro Person und Jahr. Das entspricht einem Rückgang von 33 bzw. 38 Prozent im Vergleich zur Placebo-Gruppe.
Ähnlich wie in ihrer Impfstudie fanden Mannick und Kollegen auch, dass die behandelten Personen mehr Antikörper produzierten und besser auf Impfstoffe gegen die saisonale Influenza reagierten.
Es bleiben offene Fragen
Wie genau die TORC1-Inhibitoren unser Immunsystem stärken, bleibt unklar. Mannick schreibt, die bessere Reaktion auf Vakzine erkläre nicht zwangsläufig die geringere Rate von Atemwegsinfektionen. Teilweise sei es zu einem Anstieg der Aktivität antiviraler Gene gekommen.
Die Ergebnisse einer derzeit laufenden Phase-2b-Studie werden im dritten Quartal diesen Jahres erwartet. Darin untersucht resTORbio die Wirkung von Everolimus und BEZ235 auf Atemwegserkrankungen bei Menschen über 85 Jahren bzw. Menschen über 65 Jahren mit Begleiterkrankungen.