Während die Zahl der HIV-Neuinfektionen in den Jahren 2010 und 2011 zurückging, zeigen aktuelle Zahlen einen erheblichen Anstieg von Fällen sexuell übertragbarer Infektionen. Die seit 1987 laufende AIDS-Aufklärungskampagne sowie die bekannte roten Schleife haben AIDS ins Bewusstsein der Menschen gebracht. Andere Krankheiten und ihre Gefahren werdenaber gerne leichtfertig außer Acht gelassen.
Seit der Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2001 unterliegen nur noch HIV und Syphilis einer Meldepflicht in Deutschland. Positive Laborbefunde müssen bekanntermaßen sofort an das RKI gemeldet werden.
Steigende Zahlen
Im Jahr 2015 gab es 3.674 gemeldete HIV-Neudiagnosen. Berücksichtig man unklare Meldungen, bei denen nicht bekannt ist, ob Erst- oder Wiederholungsdiagnose, wird die Anzahl schätzungsweise auf 3.900 Fälle ergänzt. Damit ergibt sich ein Anstieg von ganzen 6% zum Vorjahr. Syphilis-Diagnosen steigen seit 2010 kontinuierlich an. Die durch Treponema pallidum hervorgerufene Infektion ist gut zu behandeln, kann unentdeckt aber hässliche Folgen für Haut und Organe haben.
Weitere Geschlechtskrankheiten wie Gonokokken und Chlamydien bringen weniger lebensbedrohliche Eigenschaften mit sich als der gefürchtete HI-Virus, aber auch deren gesundheitliche Folgen müssen ernst genommen werden - gerade wenn die Stämme Resistenzen gegenüber bestimmten Antibiotika wie Ciprofloxacin, Penicillin und Azithromycin entwickeln. Der Anteil resistenter Stämme von Neisseria gonorrhoeae in Deutschland lag nach Angaben des Robert-Koch-Instituts 2016 für Ciproflaxin bei 57,9%.
Impfen kann Abhilfe schaffen
Neudiagnosen der Humanen Papillomviren, für die seit 2007 eine Impfung erhältlich ist, steigen weiterhin seit dem Jahr 2012. Die Impfquote liegt hierbei unter 50%. Dabei werden einige Typen des Virus maßgeblich mit der Entstehung eines Zervixkarzinoms assoziiert. Umgangssprachlich ist der Schutz unter dem Namen „Gebärmutterhalsimpfung“ bekannt, auch wenn sie gegen Viren schützt.
Ein Grund für die niedrige Impfquote ist, dass der Wirkstoff vor dem ersten Geschlechtsverkehr injiziert werden sollte. Dementsprechend müssen sich besonders Eltern bei ihren Frauen- und Hausärzten informieren, um in erster Linie Mädchen und jungen Frauen im Alter von 9-14 Jahren Schutz zu bieten. Wichtig hierbei ist, dass der Wirkstoff kein Präventivmittel gegen Krebszellen ist, sondern zwei bis sieben HPV-Typen abdeckt, die relevant für die Entstehung sind. Durch lückenhaftes Wissen und den irreführenden Umgangsnamen halten viele Laien die Impfung für unnötig. Aber wie unnötig kann eine Maßnahme sein, die präventiv gegen die Entstehung von Krebs wirkt, auch wenn sie „nur“ eine kleine Wahrscheinlichkeit reduziert? Der neue Neunfach-Impfstoff schützt sogar gegen HPV 6 und 11, die am häufigsten Genitalwarzen verursachenden Erreger. Genitalwarzen sind hoch ansteckend und vor allem sehr hartnäckig in der Behandlung.
Insgesamt zeigen verschiedene Gruppen unterschiedliche Risiken für den Erwerb der STI, zum Beispiel MSM für HIV und Syphilis und jüngere Frauen für Chlamydien und HPV. Die steigenden Zahlen bestätigen die Notwendigkeit vermehrt Informationen in der Allgemeinbevölkerung zu verbreiten. Für Hausärzte und Ambulanzen bedeutet dies auch die Enttabuisierung im Patientengespräch. Das BZgA erstellte aus diesem Grund gemeinsam mit dem RIK, den ärztlichen Fachgesellschaften und Berufsverbänden Informationsmaterialien für Arztpraxen. In einer von der ZFA veröffentlichten Pilotstudie geben fast alle hausärztlich tätigen Befragten (98%) an, Patienten präventiv zum Thema Sexualverhalten/STI zu beraten, wobei 43% sich als unzureichend ausgebildet fühlten, um Patienten zu STI zu beraten.