Laut EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis bleibt Glyphosat weitere 18 Monate auf dem Markt. Bis zum Ende dieser Frist muss die Europäische Chemikalienagentur ECHA ihre Einschätzung vorlegen. Kommt das wissenschaftliche Wunder?
Ob das Breitbandherbizid Glyphosat Verbrauchern schadet, ist bei hochrangigen Institutionen äußerst umstritten. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) schätzte Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ ein. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht bei sachgerechter Anwendung keine Probleme. Auch die European Food Safety Authority (EFSA) schreibt, es gebe wahrscheinlich keine Gefahr für Menschen. Sie schlägt 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht als Grenzwert für die Aufnahme pro Mahlzeit vor. Angesichts dieser Unklarheiten hat die EU-Kommission jetzt einen umstrittenen Kompromiss gefunden. Glyphosat bleibt befristet bis Ende 2017 zugelassen.
„Die Kommission spielt den schwarzen Peter der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zu, um eine wissenschaftlich fundierte Entscheidung herbeizuführen“, kritisiert Professor Dr. Daniel Dietrich, Leiter der Arbeitsgruppe Human- und Umwelttoxikologie, Universität Konstanz. „Tatsache ist, dass drei unabhängige Expertenkommissionen Glyphosat beurteilt haben; da wird auch die ECHA keine neuen Erkenntnisse gewinnen können.“ Gerade hinsichtlich des Krebsrisikos von Glyphosat seien ausreichend Studien vorhanden. Das sieht Professor Dr. Dr. Wolfgang Dekant vom Lehrstuhl für Toxikologie, Universität Würzburg, ähnlich: „Da ein weiteres Experiment zur krebserzeugenden Wirkung selbst ohne die nötige Vorplanungsphase und die Auswertung danach mindestens zwei Jahre dauert, kann es innerhalb von 18 Monaten auch keine neuen Erkenntnisse zu dem umstrittenen Endpunkt geben.“ Er spricht von einer „Lösung, um Zeit zu gewinnen und das Gesicht zu wahren“.
Experten sehen hier ohnehin eher politische als wissenschaftliche Argumente. Dazu nochmals Daniel Dietrich: „Der Ruf nach mehr Wissen von Barbara Hendricks ist klare Parteipolitik.“ Wenn aber ganze Behörden in ihrer Urteilsfähigkeit hinterfragt würden, sei dies nicht akzeptabel. Für Professor Dr. Rita Triebskorn vom Institut für Evolution und Ökologie, Universität Tübingen, gibt es ohnehin keinen Expertenstreit, sondern „einen Streit zwischen den Interessen der Industrie (inklusive der Wissenschaftler, die von dieser finanziert werden) und der „sauberen Wissenschaft“. Sie argumentiert mit dem Vorsorgeprinzip: Im Zweifel zu Ungunsten des Herbizids.