Abi-Zeit ist Orientierungszeit. Wo solls hingehen im Leben? Arzt, Ingenieur oder doch lieber Tischler? Manche Eltern möchten ihren Kindern die Entscheidung am liebsten abnehmen. Doch neuen Untersuchungen zufolge richten sie damit mehr Schaden an, als gedacht.
Auf dem Weg des Erwachsenwerdens kann die Unterstützung der Eltern von großer Hilfe sein, oft ist sie sogar notwendig. Doch wenn die Unterstützung zur Bevormundung wird und sich die berüchtigten „Helicopter Parents“ zu sehr in Entscheidungen einmischen – sie gar den Kindern abnehmen – kann dies langfristig zu Depressionen und Angstzuständen bei den übermäßig umsorgten jungen Erwachsenen führen. Bereits 2013 wurden die negativen Effekte des „Helicopter Parenting“ auf College Studenten in einer Untersuchung [Paywall] erhoben. In den letzten Jahren ist das Phänomen keinesfalls abgeklungen. Studienberater, Dozenten und Professoren begegnen dieser Form des Elterndaseins mit zunehmender Skepsis. In einer neuen Studie [Paywall] der Florida State University wurden jetzt 461 Studenten zwischen 18 und 25 Jahren befragt, inwiefern ihre Mütter Einfluss auf wichitge Lebensentscheidungen nehmen. Anhand von Beispielsituation sollten die jungen Erwachsenen das Engagement der Mutter bewerten. Im Fokus der Studie stand der weibliche Elternteil, denn die Mutter sei traditionell erster Ansprechpartner und Bezugsperson, heißt es in der Pressemitteilung der FSU. Die Studienteilnehmer sollten zudem den Umgang mit komplizierten Situationen einschätzen: Beispielsweise sollten sie bewerten, ob ihre Mutter sie in einer Konfliktsituation mit dem Mitbewohner ermutigen würde, den Konflikt eigenständig zu lösen oder ob sich die Mutter selbst einschalten würde. Auch inwieweit die Mütter ihre Sprösslinge anhielten, sich regelmäßig zu melden oder wie sehr sie sich in die Ernährungsgewohnheiten einmischten, spielte in der Erhebung eine Rolle. Zudem sollten die Studenten eine Einschätzung zu den Punkten „Depression“ und „Ängste“ sowie „Lebenszufriedenheit“ und „körperliche Gesundheit“ geben.
Den Studienergebnissen zufolge hat das Verhalten der Eltern indirekt einen großen Einfluss auf Ängste, Depression, körperliche Gesundheit und Zufriedenheit – indem sie nämlich die Selbstwirksamkeit der Kinder prägen. Studenten mit Müttern, die ihre Kinder autonomer agieren ließen, bewerteten ihre Zufriedenheit, Gesundheit und Selbstwirksamkeit besser als jene, die einen überfürsorglichen Elternteil hatten. Studenten, die ihre Selbstwirksamkeit schlechter einstuften, berichteten außerdem von stärker ausgeprägten Ängsten und Depressionen sowie von einer generell geringeren Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Was wäre aus psychologischer Sicht also sinnvoll, um das eigene Kind zwar zu unterstützen, aber nicht dessen gesunde Entwicklung zu beeinträchtigen? „Die Art, wie sich deine Eltern mit dir auseinandersetzen, hat viel damit zu tun, wie du dich selbst siehst“, sagt Mallory Lucier-Greer, eine der Autorinnen der Studie. Wenn Eltern einfach nur unterstützend zur Seite stünden, würden sie Dinge sagen wie „Du kannst deine Finanzen selbst verwalten“ oder „Du kannst deine Kurse selbst wählen“, erklärt Lucier-Greer weiter. Auch wenn der Grat auf den ersten Blick vielleicht schmal zu sein scheint, dieses Verhalten steht in einem deutlichen Unterschied zu Eltern, die einfach alles für ihre Kinder erledigen. In den meisten Fällen stecken sicherlich gute Absichten hinter der übetriebenen Fürsorge, Eltern müssen sich allerdings bewusst machen, dass sie der Entwicklung ihrer Kinder damit langfristig im Weg stehen. Originalpublikation: Helicopter Parenting and Emerging Adult Self-Efficacy: Implications for Mental and Physical Health [Paywall] Kayla Reed et al.; Journal of Child and Family Studies, doi: 10.1007/s10826-016-0466-x, 2016