Der Wunsch von Apothekern und Ärzten, über einen Tropfen Blut kardiovaskuläre Risiken zu identifizieren, ist groß. Weltweit machen sich etliche Labors auf die Suche nach geeigneten Biomarkern. Ihre Resultate bleiben eher dürftig.
Diagnostisch betrachtet ist die Proteomik eine feine Sache. Nahezu jede Erkrankung geht mit Änderungen der Genexpression und des Proteinmusters einher. Das dachte sich auch Peter Ganz von der University of California-San Francisco.
Ganz wählte die amerikanische „Heart and Soul“-Studie als „Derivationskohorte“. Wie er auf den verwegenen Begriff kommt, bleibt unklar. 1.024 Teilnehmer wurden zwischen den Jahren 2000 und 2002 rekrutiert und durchschnittlich zehn Jahre lang in regelmäßigen Abständen untersucht. Hier standen Blutproben von 938 Probanden zur Verfügung. Forscher bestimmten 1.130 Proteine über sogenannte Aptamere. Diese Oligonukleotide binden hoch spezifisch an Proteine, gelten im Zeitalter moderner Massenspektrometrie oder NMR-Spektrometrie aber nicht unbedingt als erste Wahl. Damit gelang es dem Team, neun Proteine zu identifizieren, deren Spiegel sich bei späteren kardiovaskulären Ereignissen ändert. Ein Beispiel ist das von Herzinfarkten bekannte Troponin I. Peter Ganz überprüfte seine Zwischenergebnisse anhand einer „Validierungskohorte“, die sich stark von der ursprünglichen Personengruppe unterschied. Er wählte die HUNT3-Studie, eine bevölkerungsbasierte Kohorte aus Norwegen. Im Rahmen von HUNT3 wurden zwischen 2006 und 2008 genau 93.210 aus Nord-Trøndelag angeschrieben. Von ihnen folgten 48.289 der Einladung. Das Follow-up lief bis April 2012. Biologen werteten 971 Proben aus, angeblich mit Erfolg. Ganz' Resultate sollen sogar den Framingham Risk Score übertrumpfen. Skepis bleibt. Der Forscher muss einräumen, dass weitere Studien notwendig sind, um herauszufinden, wie sich sein Neun-Protein-Score bei Patienten mit niedrigem Risiko verhält.
Andere Labors sind ebenfalls aktiv – schließlich stecken in einem leicht handhabbaren, zuverlässigen Test gewaltige Potenziale. Peter Würtz aus dem finnischen Oulu arbeitete sowohl mit der SABRE-Studie (2.622 Teilnehmer, 573 kardiovaskuläre Ereignisse) als auch mit der British Women's Health and Heart-Studie (3.563 Teilnehmerinnen, 368 Ereignisse). Der analytische Ansatz unterschied sich deutlich von Peter Ganz' Arbeit. Zusammen mit Kollegen setzte Würtz auf die NMR-Spektrometrie, um über 200 verschiedene Biomarker in einer Blutprobe nachzuweisen lassen. Als weitere Methode wurde die Flüssig-Chromatographie-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) eingesetzt. Über diesen Weg gelang es, niedermolekulare Biomarker zu identifizieren. Die Aminosäure Phenylalanin und einfach ungesättigte Fettsäuren im Plasma standen mit höheren kardiovaskulären Risiken in Verbindung. Omega-6-Fettsäuren und Docosahexaensäure lieferten Würtz zufolge Anhaltspunkte auf ein niedrigeres Risiko. Bis zur Praxistauglichkeit werden auch hier noch Jahre vergehen.