Sepsis-Patienten benötigen auch nach ihrer Erkrankung intensive Betreuung durch den Hausarzt. Forscher entwickelten nun ein Nachsorgeprogramm, welches trotz eigentlich geringer Unterschiede zur gängigen Rehabilitation, Einfluss auf die Langzeitversorgung nehmen könnte.
Jährlich erkranken in Deutschland über 200.000 Menschen an einer Sepsis, einer Infektion des gesamten Organismus. Diese oft lebensbedrohliche Erkrankung erfordert intensivmedizinische Behandlung und hinterlässt zum Teil langwierige gesundheitliche Folgen. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus werden die Patienten meist in Hausarztpraxen weiter behandelt. „Wir wollten die Kompetenz der Hausärzte in der Langzeitbetreuung für die Sepsisüberlebenden nutzen und entwickelten ein entsprechendes Nachsorgeprogramm“, so Prof. Dr. Jochen Gensichen, Leiter des Projekts.
Dieses Nachsorgeprogramm bestand aus drei Bereichen: Zunächst wurden Hausärzte und Patienten speziell zur Sepsisnachsorge geschult. Dann hielten Studienschwestern als „Case Manager“ engen Kontakt zu den Patienten. In monatlichen telefonischen Befragungen erfassten sie auftretende Komplikationen und berichteten diese an einen Liaison-Arzt, der dann im Bedarfsfall dem Hausarzt mit klinischem Rat zur Seite stand. Eingebettet in ein strukturiertes Entlassungsmanagement, konnte die Begleitung für diese schwerstkranken Patienten ohne Informationsverlust bei den Übergängen von Intensivversorgung bis zur hausärztlichen Versorgung gesichert werden. „Für die Evaluierung des Programms konnten wir 16 Intensivstationen an neun Klinikstandorten in Deutschland gewinnen. Letztlich wurden 291 Patienten, die eine Sepsis oder gar einen septischen Schock überlebt hatten, sowie 307 Hausarztpraxen in die Studie aufgenommen“, beschreibt der ärztliche Studienleiter Dr. Konrad Schmidt den Umfang des Projektes.
Die Studienteilnehmer wurden zufällig in zwei Gruppen geteilt, die das spezifische Nachsorgeprogramm absolvierten bzw. die normale Nachversorgung erhielten. Sechs und zwölf Monate nach der Entlassung von der Intensivstation wurden die Teilnehmer zu ihrer Lebensqualität und anderen klinischen Größen befragt. In der Auswertung zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der allgemeinen Lebensqualität. In Detailaspekten konnten die Wissenschaftler jedoch Unterschiede ausmachen: Die Absolventen des Nachsorgeprogramms schätzten ihre Alltagskompetenz etwas besser ein als die Kontrollgruppe. Ihnen fielen Bewegungsabläufe wie Treppensteigen und Ankleiden leichter oder auch komplexere Vorgänge, wie zum Beispiel Einkaufen. „Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Hausärzte als Spezialisten für die Langzeitversorgung die Erfolge der modernen Akutversorgung durch Intensivmediziner absichern können“, sagt Gensichen.
Hier sehen die Wissenschaftler auch wichtige Ansatzpunkte für die weitere Forschung zur Langzeitversorgung von Patienten, die schwerste Erkrankungen überstanden haben. Entsprechende Empfehlungen können dann Eingang in die Behandlungsleitlinien zur Sepsis finden. Der Vorstandvorsitzende der Charité – Universitätsmedizin in Berlin, Prof. Dr. Karl Max Einhäupl, hält den Interventionsansatz trotz ausbleibender Haupteffekte für einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung. „Die Studie ist ein erster, aber wichtiger Schritt in Richtung einer besseren Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken. Auch wenn die Studie das vorgegebene Ziel einer signifikanten Verbesserung nicht belegen konnte, gab sie doch Anhaltspunkte, wie mit einem neuen Studiendesign jenes Patientenkollektiv definiert werden kann, das möglicherweise von einer solchen Kooperation profitieren könnte“, so Einhäupl. Lesen Sie dazu auch unseren DocCheck-Artikel Sepsis: Never ending story von Christine Amrhein Originalpublikation: Effect of a Primary Care Management Intervention on Mental Health–Related Quality of Life Among Survivors of Sepsis Konrad Schmidt et al.; The Journal of the American Medical Association, doi: 10.1001/jama.2016.7207; 2016