Patienten müssen für ihre Arzneimitteltherapie direkt oder indirekt tief in die Tasche greifen. Seit Juli gibt es deutlich weniger Pharmaka mit Zuzahlungsbefreiung. Auch bei Originalpräparaten hat Deutschland im europäischen Vergleich exorbitant hohe Preise.
Zum 1. Juli erlebte so mancher Patient böse Überraschungen in seiner Apotheke. Der GKV-Spitzenverband hat einmal mehr Festbeträge angepasst. Betroffen sind unter anderem zwei Festbetragsgruppen zur Asthma- und COPD-Therapie.
Wie der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) herausfand, sind mittlerweile nur noch 330 Präparate zuzahlungsbefreit – vor dem Stichtag waren es rund 560. Patienten müssen bei 1.300 Präparaten selbst in die Tasche greifen, verglichen mit rund 700 Medikamenten vor dem 1. Juli. Unter den Änderungen leiden nicht nur Versicherte, sondern auch Hersteller. Arzneimittel, deren Preis mindestens 30 oder mehr Prozent unter dem jeweils gültigen Festbetrag liegen, werden von der Zuzahlung befreit, falls Einsparungen zu erwarten sind. „Mit den regelmäßigen Festbetragsabsenkungen zieht der GKV-Spitzenverband seit Jahren die Daumenschrauben für die Industrie immer stärker an“, kritisiert Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BPI. „Es muss anerkannt werden, dass Preisabsenkungen endlich sind.“
Dass Krankenkassen alle Möglichkeiten ausschöpfen, erstaunt nicht weiter, wenn Originalpräparate ebenfalls in Überlegungen mit einbezogen werden. Das Wissenschaftliche Instituts der AOK (WIdO) hat zusammen mit der Technischen Universität Berlin einen europaweiten Vergleich veröffentlicht. Versorgungsforscher packten einen virtuellen Warenkorb mit den umsatzstärksten patentgeschützten Arzneimitteln aus Deutschland. Anschließend verglichen sie die Preise mit Dänemark, Frankreich, Großbritannien, mit den Niederlanden und mit Österreich. Unterschiedliche Preisstrategien der Hersteller berücksichtigten Forscher über Korrekturen anhand des Bruttoinlandsprodukts. Ihr Ergebnis: Diese adjustierten Herstellerabgabepreise waren 16 Prozent (Großbritannien) bis 27 Prozent (Dänemark) niedriger als bei uns. Für den deutschen Markt ergäben sich laut WIdO mögliche Entlastungen von 2,2 Milliarden Euro.
Kein Wunder, dass zwei Drittel aller Deutschen Arzneimittelhersteller für fast die Hälfte aller Gesundheitskosten verantwortlich machen. Das ergaben repräsentative Befragungen des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI). „Tatsächlich wendet die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für die ambulante Arzneimittelversorgung einschließlich der Vergütung von Großhandel, Apotheken und Mehrwertsteuer rund 17 Prozent ihrer Ausgaben auf“, schreibt der BPI. „Betrachtet man den Anteil der Industrie nach Abzug gesetzlicher Rabatte, so liegt der Ausgabenanteil nur bei rund zehn Prozent – und dabei sind vertrauliche Rabatte noch nicht berücksichtigt.“