Der Einsatz von Paracetamol während der Schwangerschaft steht erneut unter dem Verdacht, das Risiko für ADHS und Autismus sowie für Störungen in der motorischen Entwicklung zu erhöhen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Kohortenstudie aus Spanien.
Schmerzmittel in der Schwangerschaft sind ein umstrittenes Thema. Gerade Paracetamol steht immer wieder unter dem Verdacht, negative Auswirkungen auf die motorische Entwicklung des Kindes zu haben. Auch von einem Zusammenhang zwischen dem Schmerzmittel und später auftretender Hyperaktivität ist häufig die Rede. So wurden in den letzten Jahren immer wieder Studien zu diesem Thema veröffentlicht. Dänische Forscher kamen in ihrer Untersuchung bereits 2014 zu dem Ergebnis, dass das Risiko der Kinder an ADHS zu erkranken, deutlich erhöht ist, wenn Mütter in der Schwangerschaft Paracetamol nehmen. Und auch eine norwegische Studie hatte negative Folgen für die grobmotorische Entwicklung der Kinder belegt. Hierzulande gilt Paracetamol weitestgehend als harmlos. Auf der Seite des Berliner Zentrums für Embryonaltoxikologie heißt es: „Bei medikamentös behandlungspflichtigen Schmerzen gehört Paracetamol in jeder Phase der Schwangerschaft zu den Analgetika der Wahl“.
Die Ergebnisse einer spanischen Kohortenstudie befeuern die Debatte nun erneut. 2.644 Mutter-Kind-Paare waren hier rekrutiert worden, um den Einsatz von Paracetamol während der Schwangerschaft ein weiteres Mal zu untersuchen. 88 % der Studienteilnehmer wurden beurteilt, als das Kind ein Jahr alt war, 79,9 Prozent im Alter von fünf Jahren. Die Mütter wurden gebeten, ihre Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft zu bewerten. Sie konnten hierbei zwischen den Antwortmöglichkeiten „nie“, „sporadisch“ und „ständig“ wählen. Die genaue Dosierung konnte nicht erhoben werden, da die Mütter diesbezüglich keine verlässlichen Angaben machen konnten. Den Antworten zufolge hatten die Mütter von 43 % der einjährigen Kinder und 41 % der fünfjährigen Kinder Paracetamol in den ersten 32 Schwangerschafswochen zu sich genommen. Diejenigen, die im Alter von fünf Jahren bewertet wurden, schnitten in einem Computertest, der Unaufmerksamkeit, Impulsivität und der Verabreitung visueller Reize beurteilen sollte, schlechter ab.
Insgesamt ließen sich vor allem bei den Jungen vermehrt Symptome aus dem Bereich der „Autismus-Spektrum-Störung“ feststellen, wenn die Mütter ihren Paracetamol-Konsum in die Kategorie „ständig“ eingeordnet hatten. Wie auch in den Studien zuvor, überprüfte das spanische Forscherteam die Kinder auschließlich auf Symptome, ärztliche Diagnosen wurden nicht bewertet. Die Anzahl von Symptomen könne ein Kind aber beeinträchtigen, auch wenn sie nicht so massiv auftreten, dass eine klinische Diagnose einer neurologischen Entwicklungsstörung gerechtfertigt wäre, erklärt Claudia Avella-Garcia, Hauptautorin der Studie und Wissenschaftlerin am Centro de Investigación en Epidemiología Ambiental (CREAL). Für Dr. Jordi Júlvez, den Co-Autor der Studie, könnten die potenziell negativen Auswirkungen von Paracetamol darin begründet liegen, dass sich die schmerzstillende Wirkung über den Cannabinoid-Rezeptor entfaltet. Da diese Rezeptoren normalerweise die Entwicklung und Verschaltung der Neuronen beeinflussen, könnte Paracetamol diese Prozesse verändern, so Júlvez. Zusammenfassend kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass der prenatale Kontakt mit Paracetamol in Zusammenhang mit einem vermehrten Auftreten autistischer Symptome bei Jungen steht. Für beide Geschlechter seien außerdem negative Effekte im Bezug auf die Aufmerksamkeit der Kinder festgestellt worden. Originalpublikation: Acetaminophen use in pregnancy and neurodevelopment: attention function and autism spectrum symptoms Claudia B. Avella-Garcia et al.; International Journal of Epidemiology, doi: 10.1093/ije/dyw115; 2016