Ein Albtraum für jedes Elternpaar: Das neugeborene Kind hat einen Herzfehler. Doch die aktuellen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten geben Anlass zur Hoffnung. Im Vergleich zu den letzten Jahrzenten ist Mortalität von Säuglingen und Kindern mit angeborenen Herzfehlern stark gesunken. Heute erreichen über 90% der Kinder mit dieser Krankheit das Erwachsenenalter.
Weltweit gehören angeborene Herzfehler (AHF) zu den am häufigsten vorkommenden Organfehlbildungen bei Neugeborenen [1]. Es gibt zahlreiche Studien, die die Prävalenz von AHF zu beschreiben versuchen. Basierend auf einer kürzlich publizierten Metaanalyse gilt als valide Annäherung für Europa, dass 8 von 1000 Lebendgeburten einen AHF haben [2]. In Deutschland betrifft das etwa jedes 100. lebendgeborene Kind, was jährlich mehr als 6500 Kinder ausmacht [3]. Der Schweregrad reicht von einfachen (55%; z.B. Vorhofseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt) bis hin zu mittelschweren bis komplexen Formen von AHF (45%; z.B. Fallot’sche Tetralogie, Transposition der großen Gefäße, Univentrikuläre Herzen) [4].
Durch den medizinischen Fortschritt in den Bereichen Kinderkardiologie, Kardiologie, Anästhesiologie, Intensivmedizin und Kinderherzchirurgie in den letzten Jahrzehnten lässt sich eine deutliche Steigerung der Lebenserwartung von Kindern mit AHF verzeichnen. Die Lebenserwartung hat sich seit 1970 signifikant verbessert. Vor der erfolgreichen Anwendung der Herz-Lungen-Maschine lag die Letalität von Kindern mit komplexen AHF bei 88% [5]. Seit 1990 ist die Mortalität in allen Altersgruppen laufend zurück gegangen [3].
Verglichen mit anderen Bereichen der Herzmedizin ist die Mortalität der Patienten mit AHF in den letzten Jahrzehnten am stärksten gesunken. Im Jahr 2014 sind 60% weniger Patienten an AHF verstorben als 1990. Diese Reduzierung der Mortalität ist besonders bei Säuglingen (1.-12. Lebensmonat) zu beobachten [3].
Inzwischen erreichen mehr als 90% der Kinder mit AHF das Erwachsenenalter [6]. Durch diese hinzugewonnenen Lebensjahre entwickelt sich eine neue und stetig wachsende Patientengruppe mit speziellen Problemen und Bedürfnissen.
In Deutschland leben mittlerweile schätzungsweise zwischen 203.000 bis 304.000 Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH)[1]. In Deutschland und in Europa leben mittlerweile mehr Erwachsene als Kinder mit AHF. Die geschätzten Zahlen für EMAH in Europa liegen bei etwa 2.3 Millionen, im Vergleich dazu geht man von 1.9 Millionen Kindern mit AHF aus. Die Tendenz von EMAH in Europa steigt um etwa 5% pro Jahr (Abbildung 1) [7,8]. Die gesamte Studie gibt es hier:
http://www.doccheck.com/de/document/8937-studie-des-deutschen-herzzentrums-muenchen-zu-angeborenen-herzfehlern
Zur Verfügung gestellt von R. Neidenbach, Deutsches Herzzentrum München, Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler.
Abbildung:
Kompetenznetz Angeborene Herzfehler e. V.
Nationales Register für angeborene Herzfehler e. V.
Quelle:
1 Schmaltz, A.A. and U.M.M. Bauer, Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern - Versorgungssituation und medizinische Probleme. Herz, 2013. 38(6): p. 639–654
2 van der Linde, D., et al., Birth prevalence of congenital heart disease worldwide: a systematic review and meta-analysis. J Am Coll Cardiol, 2011. 58(21): p. 2241-7.
3 Meinertz, T., et al., Deutscher Herzbericht 2016. 2016, Frankfurt: Deutsche Herzstiftung e. V.
4 Neidenbach, R., et al., [Striking Supply Gap in Adults with Congenital Heart Disease?]. Dtsch Med Wochenschr, 2017. 142(4): p. 301-303.
5 Böttcher, W. and H. Woysch, Die erste erfolgreiche herzchirurgische Operation mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine. Zeitschrift für Herz-,Thorax- und Gefäßchirurgie, 2006. 20(6): p. 248-260.
6 Moons, P., et al., Temporal trends in survival to adulthood among patients born with congenital heart disease from 1970 to 1992 in Belgium. Circulation, 2010. 122(22): p. 2264-2272.
7 Baumgartner, H., An important attempt to improve the outcome of congenital heart disease in Europe. Eur Heart J, 2014. 35(11): p. 674-5.
8 Brickner, M.E., L.D. Hillis, and R.A. Lange, Congenital heart disease in adults. First of two parts. N Engl J Med, 2000. 342(4): p. 256-63.