Das Enzym DERA beschleunigt Reaktionen, aus denen Grundstoffe für Medikamente entstehen. Bei dessen Reaktion mit Acetaldehyd entsteht jedoch ein Molekül mit blockierender Wirkung. Eine minimale Veränderung der Enzymstruktur konnte diesen Effekt nun aufheben.
Nicht nur der menschliche Körper benötigt Enzyme, auch für die Industrie bieten sie oft eine Präzision und Effizienz, die mit anderen chemischen Syntheseverfahren kaum zu erreichen ist. Allerdings ist den Proteinmolekülen oft eine gewisse Fragilität zu eigen, die unter industriellen Bedingungen zu Schwierigkeiten führen kann. Ein solcher Fall ist das Enzym DERA. Es katalysiert sogenannte Aldolreaktionen, bei denen Grundsubstanzen für verschiedene Medikamente aus dem günstigen Ausgangsstoff Achtaldehyd entstehen, etwa die Vorstufen von Cholesterin senkenden Statinen. Allerdings arbeitet DERA nur bei relativ niedrigen Konzentrationen von Acetaldehyd. Wird ein bestimmter Schwellenwert überschritten, kommt die enzymatische Aktivität völlig zum Erliegen und kehrt auch nicht wieder, wenn die Konzentration wieder sinkt.
„Ein Katalysator, der so empfindlich auf das Ausgangsmaterial reagiert, ist natürlich für die Industrie nur schwer einsetzbar“, sagt Prof. Dr. Jörg Pietruszka, Leiter des Instituts für Bioorganische Chemie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf auf dem Campus des Forschungszentrums Jülich. „Deshalb wollten wir genauer untersuchen, was die Ursache der mangelnden Stabilität ist.“ Gemeinsam mit Strukturbiologen des Jülicher Institute of Complex Systems: Strukturbiochemie (ICS-6) und des Düsseldorfer Instituts für Physikalische Biologie nutzten die Forscher eine Kombination extrem hochauflösender Verfahren, um die Reaktionsschritte mit molekularer Präzision zu beobachten. Die bisherige Vermutung, dass Acetaldehyd als recht aggressiver Stoff die empfindliche Proteinstruktur zerstöre, bestätigte sich dabei nicht. Stattdessen offenbarten die eingesetzten Verfahren NMR-Spektroskopie und Röntgenstrukturanalyse ein seltenes Nebenprodukt der Reaktion als tatsächliche Ursache.
Sogenanntes Crotonaldehyd, ein kleines Molekül aus nur wenigen Atomen, blockierte im aktiven Zentrum des Enzyms eine für die Katalyse entscheidende Stelle. Der Effekt tritt erst bei höheren Konzentrationen von Acetaldehyd auf, weil Crotonaldehyd erst unter diesen Bedingungen in hinreichender Menge gebildet wird. „Der Einblick in die molekularen Abläufe legte zudem eine einfache Möglichkeit nah, um das Problem abzustellen“, erklärt Markus Dick, Erstautor der Studie. Indem die Forscher eine Aminosäure im Bauplan des Enzyms austauschten, konnten sie eine Version des Enzyms herstellen, die vollständig resistent gegen die Acetaldehyd-Bremse ist. Die Hoffnungen, die von Seiten der Industrie in DERA gesetzt werden, könnten sich dadurch nun erfüllen. Prof. Dr. Dieter Willbold, Leiter des Biomolekularen Zentrums und Direktor des Düsseldorfer Instituts für Physikalische Biologie und des Jülicher ICS-6 dazu: „Für die Optimierung biotechnologischer Prozesse könnte diese strukturbasierte Vorgehensweise Schule machen.“ Originalpublikation: Mechanism-based inhibition of an aldolase at high concentrations of its natural substrate acetaldehyde: structural insights and protective strategies Markus Dick et al; Chemical Science, doi: 10.1039/C5SC04574F; 2016