Ein Fünftel aller Deutschen weist Fettstoffwechselstörungen auf. Eine Untersuchung zeigte nun, dass sich Männer und Frauen wesentlich stärker in ihren Blutfetten unterscheiden als bisher angenommen. Und sogar orale Kontrazeptiva beeinflussen den Lipidstoffwechsel.
Die Folgen von Fettstoffwechselstörungen sind mitunter verantwortlich für Herzinfarkt und andere Gefäßerkrankungen. Aber reicht die Bestimmung von Cholesterol und Triglyceriden im Blut aus, um das individuelle Risiko zu erkennen? Was sind die molekularen Grundlagen von Fettstoffwechselstörungen? Um diese Fragen beantworten zu können, ist die Definition eines „gesunden Blutfettmusters (Lipidoms)“ von entscheidender Bedeutung, erklärt Professor Jürgen Gräßler, Leiter des Bereiches für Pathologische Biochemie der Medizinischen Klinik 3 an der TU Dresden. „Mittels moderner Analysemethoden wie der Massenspektrometrie lassen sich heute bereits schon mehr als 280 verschiedene Fettmoleküle im Blut bestimmen. Unklar ist allerdings noch, welche dieser Moleküle die wichtigen Informationen über Krankheitsentstehung und deren Verlauf liefern.“
In einer Studie an jungen gesunden Männern und Frauen konnte das Team um Professor Gräßler jetzt zeigen, dass Männer und Frauen in ihren Blutfetten große Unterschiede aufweisen. Der Einsatz moderner Analysentechnik soll in Zukunft dazu dienen, Veränderungen des Blutlipidmusters frühzeitig zu erkennen, um Schäden an Gefäßen und Organen effizient vorbeugen zu können.
Klinische und klinisch-chemische Untersuchungen zum Ausschluss jeglicher Art von Begleiterkrankungen wurden durchgeführt, um eine homogene Population gesunder junger Frauen und Männer zu etablieren, die sich für die Bestimmung einer normalen biologischen Variabilität, der Untersuchung von Geschlechtsunterschieden und generellen Einflussfaktoren auf das Blutfettmuster eignete. Das erste und in diesem Umfang unerwartete Ergebnis war, dass sich 112 der 281 gemessenen Blutfettmoleküle hochsignifikant zwischen Frauen und Männern unterschieden. Für neu zu planende Untersuchungen des Blutfettmusters bedeutet das strikte separate Analysen für Frauen und Männer, die durch statistische Verfahren gemischtgeschlechtlicher Untersuchungsgruppen allein nicht realisiert werden können. Mit einer Massenspektrometrie kann die Blutfettanalyse vorgenommen werden. © Stephan Wiegand / Medizinische Fakultät TU Dresden
Ein weiteres Ergebnis sorgte für eine Überraschung: „Nach einer gesonderten Auswertung der Blutfettprofile von Frauen, die orale Kontrazeptiva einnahmen, haben wir plötzlich gesehen, dass die bisher stoffwechselmäßig als harmlos angesehenen Präparate doch eine Auswirkung auf den Fettstoffwechsel haben“, sagt Professor Gräßler. „Es kam zu auffälligen Veränderungen, die auf eine Reizung der Leberzellen und einer damit einhergehenden allgemein erhöhten Entzündungsaktivität schließen lassen.“ Persönliche Berichte von Frauen, die nach Beginn der Einnahme von Kontrazeptiva über eine Zunahme des Körperfetts klagten, stützen diesen Befund. Der gravierende Effekt der oralen Kontrazeption auf das Blutfettmuster ist ein zentrales Einflussmoment, das bei künftigen Studien unbedingt Beachtung finden muss.
Eine grundlegend neue Erkenntnis ergab sich aus der Charakterisierung einer Subpopulation von Männern, die sich nach mathematischen Analysen herauskristallisiert hatte. Diese Gruppe von Männern, die circa 20 Prozent aller untersuchten Männer ausmachte, zeichnete sich durch Veränderungen des Blutfettmusters aus, wie sie in wesentlich stärkerer Ausprägung bei Patienten mit metabolischem Syndrom beobachtet werden. Bemerkenswert dabei ist besonders, dass die Männer zu diesem Zeitpunkt einen normalen Body-Mass-Index und normale (klinisch-chemische) Blutfettwerte hatten. Die biochemische Signatur für das metabolische Syndrom ist demzufolge lange vor dessen klinischer Ausprägung vorhanden. Auch bei den Frauen war diese Konstellation erkennbar, allerdings deutlich seltener. Originalpublikation: Gender, Contraceptives and Individual Metabolic Predisposition Shape a Healthy Plasma Lipidome Susanne Sales et al; Scientific Reports 6, doi: 10.1038/srep27710; 2016