Der Konsum zu hoher Mengen in Form von zuckerhaltigen Getränken oder Süßigkeiten begünstigt auf lange Sicht die Entstehung von Volkskrankheiten wie Adipositas, Diabetes oder Karies. Und die Zahl der Betroffenen steigt. Um das Problem in den Griff zu bekommen, greift in vielen Ländern immer öfter die Politik ein: Ziel ist es, die Bürger zu einer gesünderen Ernährung zu bewegen. Aber wie? Lösungsansätze gibt es viele. So unterstützen viele Experten die Idee, ungesunde Lebensmittel wie Fast Food oder stark zuckerhaltige Produkte mit Warnhinweisen zu versehen. Sie sollen Verbraucher vom Konsum solcher Produkte abschrecken. Solche Warnungen könnten aus Texthinweisen oder auch aus Schock-Bildern bestehen, ähnlich wie die auf Zigarettenschachteln.
Was bewegt Konsumenten am ehesten dazu, weniger zu zuckerhaltigen und mehr zu gesunden Getränken und Lebensmitteln zu greifen? In einer Studie beschäftigte man sich mit dieser Frage. Sie wurde noch nicht veröffentlicht, die Ergebnisse wurden aber vorab auf dem European Congress on Obesity (ECO) in Wien im Mai dieses Jahres präsentiert, wie das Wissenschaftsmagazin EurekAlert! der American Association for the Advancement of Science (AAAS) berichtete. Das Health Star Rating in Australien © healthstarrating.gov.au Anna Peeters und ihre Kollegen von der Deakin University in Australien konzentrierten sich auf gesüßte Getränke wie Limonaden oder Energy Drinks. Sie gelten als besonders ungesund, weil sie viel Zucker enthalten, aber kaum Nährwert haben. Um die Trinkgewohnheiten von Menschen besser zu verstehen, führten die Forscher ein Online-Experiment durch. Etwa 1.000 Australier zwischen 18 und 35 Jahren nahmen als Probanden an der Studie teil. Sie sollten sich vorstellen, in einem Geschäft, einem Café oder an einem Automaten ein Getränk zu kaufen, wobei sie zwischen 15 verschiedenen – gesüßten oder ungesüßten – Getränken wählen konnten. Je nach Studienbedingung trugen die Getränke eine warnende Textbotschaft, ein abschreckendes Foto, eine Information über die Zuckermenge im Getränk (in Teelöffeln) oder ein „Health Star Rating“. Bei dieser Kennzeichnung, die in Australien und Neuseeland bereits in Gebrauch ist, trägt die Verpackung einen Aufdruck mit 0,5 bis fünf Sternen – mehr Sterne stehen für ein gesünderes Produkt. In der Kontrollsituation trugen die Getränke keinen Gesundheitshinweis.
Von alle Varianten setzten sich mit Text versehene abschreckende Bilder durch. Insgesamt wollten die Probanden deutlich seltener zuckerhaltige Getränke kaufen, wenn diese irgendeine Form von Gesundheitshinweis trugen. Graphische Warnhinweise mit einem abschreckenden Foto – etwa einem Bild verfaulter Zähne – und dem Hinweis, dass der Konsum zuckerhaltiger Getränke zu Karies, Diabetes und Übergewicht beitragen kann, hatten dabei den größten Effekt. Bei diesem Modell wollten die Probanden mit 36 Prozent geringerer Wahrscheinlichkeit ein zuckerhaltiges Getränk kaufen als in einer Kaufsituation ohne Hinweise. Einen ähnlichen, aber schwächeren Effekt hatte das Health-Star-Rating und die Angabe der Zuckermenge: Beim Health-Star-Rating war die Wahrscheinlichkeit, ein zuckerhaltiges Getränk zu kaufen, um 20 Prozent geringer, bei Angabe der Zuckermenge um 18 Prozent geringer als in der Kontrollbedingung. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Gesundheitshinweise auf Lebenmittelverpackungen das Potential haben, das Verhalten der Konsumenten zu ändern. Das ist insbesondere bei abschreckenden Bildern und beim Health Star Rating der Fall“, wird Peeters im Bericht der AAAS zitiert. „Solche Hinweise könnten Verbraucher dabei unterstützen, weniger zuckerhaltige Getränke und stattdessen gesündere Produkte zu kaufen. Vieles spricht dafür, solche Hinweise auf Getränkenverpackungen weltweit einzuführen.“ Zudem sei eine solche Maßnahme einfach umzusetzen.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt man in der zweiten, ebenfalls aus Australien stammenden Studie von Stefan Bode und seinem Team von der University of Melbourne. Es wurden 95 Probanden interviewt. Man zeigte ihnen Farbbilder von 50 Snacks: Schokolade, Chips, Keksen und Nüssen, aber auch Obst und Gemüse. Bei jedem Snack wurden die Teilnehmer gefragt, wie gern sie ihn am Ende des Experiments essen wollten. Den Bildern folgte je eine von vier Gesundheitswarnungen:
Eine negative Boschaft lautete zum Beispiel: „Zuckerhaltige Lebensmittel erhöhen Ihr Risiko für Zahnfäule“, ein Beispiel für eine positive Botschaft war etwa „Ein gesundes Gewicht reduziert Ihr Risiko für Herzerkrankungen.“ Darüber hinaus erfassten die Forscher die Hirnaktivität der Probanden während der Befragung mithilfe von Elektroden. Das Ergebnis: Auch hier erzielte man den stärksten Effekt durch eine abschreckende Visualisierung der gesundheitlichen Folgen. Ein negativer Text mit abschreckendem Bildmaterial beeinflusste die Wahl der Probanden am stärksten – nämlich doppelt so stark wie negativer Text ohne Bild oder Bildmaterial mit positivem Text. Die Auswertung der Gehirnaktivität legte zudem nahe, dass Warnhinweise die Selbstkontrolle erhöhen und die Neigung, impulsiv zu handeln, abschwächen. Beispiele für Fotos mit negativer oder positiver Botschaft in der Studie von Bode und seinem Team. Warnhinweise auf ungesunden Lebensmitteln können die Konsumenten also erfolgreich vom Kauf dieser Lebensmittel abhalten, sagt Bode. „Die Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass Gesundheitshinweise und -warnungen auf ungesunden Lebensmitteln die Konsumenten dazu bringen können, sich für gesündere Produkte zu entscheiden“, erläutert er. Weiterhin habe die Studie dazu beigetragen, besser zu verstehen, wie Gesundheitshinweise Kaufentscheidungen beeinflussen. „Starke Schlüsselreize wie der zu erwartende Geschmack beeinflussen uns unbewusst“, sagt auch Helen Dixon vom Cancer Council Victoria und Coautorin der Studie. „Deshalb müssen Gesundheitshinweise genau diese impulsiven, auf den Genuss abzielenden Reaktionen unterbrechen und dafür sorgen, dass Konsumenten die gesundheitlichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen bewusst überdenken.“
Eltern können die Ernährung ihrer Kinder zu einem gewissen Grad lenken. Deshalb führte eine amerikanische Forschergruppe eine Studie durch, in der das Kaufverhalten von Eltern mittels Umfrage untersucht wurde. Sie wollten wissen: Welche Faktoren beeinflussen Eltern bei der Wahl von Getränken für ihre Kinder? In ihrer Studie rekrutierten sie 2.381 Eltern. Sie sollten in einer Online-Umfrage angeben, welches Getränk sie für ihre Kinder an einem Automaten kaufen würden. Zur Auswahl standen populäre Softdrinks mit hohem Zuckergehalt, aber auch Getränke ohne Zucker. Die Erwachsenen wurden in drei Gruppen eingeteilt. Der ersten Gruppe wurde auf den Getränken keine Warnhinweise angezeigt, die zweite Gruppe bekam eine Auswahl an Getränken, auf denen die Kalorienzahl sichtbar war. Auf Getränken für die dritte Gruppe war einer von vier Warnhinweisen aufgedruckt. Auch hier zeigte der Einsatz von zusätzlichen Maßnahmen seine Wirkung: War auf dem Getränk ein Warnhinweis vermerkt, wählten weniger Eltern zuckerhaltige Getränke (40 %) im Vergleich zur Gruppe ohne Warnhinweis (60 %) oder Kalorienangabe (53 %). Zudem hielten Eltern aus der Warnhinweis-Gruppe anschließend zuckerhaltige Getränke für ungesünder als Eltern aus der Kontrollgruppe.
Wie abschreckende Botschaften aus Bild und Text wirken, ist bei Zigarettenpackungen bereits gut untersucht: Eine Zusammenfassung von Studien zeigt, dass solche Warnhinweise dazu beitragen, dass Raucher besser über die Risiken des Rauchens Bescheid wissen und häufiger versuchen, aufzuhören. Zudem lösen Schockbilder starke emotionale Reaktionen aus und prägen sich ins Gedächtnis ein. Das trägt dazu bei, dass der Wunsch zu rauchen abnimmt. Allerdings schätzen Raucher die Wahrscheinlichkeit, selbst von solchen Erkrankungen betroffen zu sein, nicht höher ein als vorher - und der abschreckende Effekt lässt mit der Zeit nach.
Ob Schockbilder dazu beitragen, die Zahl der Raucher oder die durch Rauchen verursachten Todesfälle zu verringern, ist bisher unklar. So gilt seit dem 20. Mai 2016 die EU-Tabakrichtlinie, die Warnbilder und aufklärende Texte auf Zigarettenschachteln vorschreibt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ging die Zahl der verkauften Zigaretten in Deutschland im ersten Quartal 2017 im Vergleich zum ersten Quartal 2016 um 8,1 % zurück. Allerdings könnte dies auch auf andere Faktoren zurückzuführen sein, etwa weitere gesetzliche Maßnahmen wie Werbe- oder Rauchverbote. Eine Auswertung von Studien zur Wirksamkeit von bildlichen Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen kommt zu dem Ergebnis, dass diese die Frage, ob eine Verringerung des Tabakkonsums den Schockbildern zugeordnet werden könne, nicht abschließend beantworten konnten. „Natürlich bedeuten solche Warnhinweise nicht, dass Zucker ähnlich gefährlich ist wie Tabak oder Alkohol“, sagt Timothy Gill von der University of Sydney. „Aber Studien zu Warnhinweisen auf Verpackungen – seien es Zigarettenpackungen oder, wie in den aktuellen Studien, zuckerhaltige Produkte – zeigen uns, dass solche Hinweise das Verhalten der Verbraucher erfolgreich verändern können.“ Allerdings sei er nicht sicher, ob abschreckende Fotos der geeignetste Weg wären, um Verbraucher zu einer gesünderen Ernährung zu bewegen. „Solche Warnhinweise könnten sich als kontraproduktiv erweisen“, so der Forscher. „Denn die Verbraucher wissen schon, dass zuckerhaltige Nahrungsmittel ungesund sind – würden aber solche drastischen Bilder vermutlich als übertrieben ansehen.“
Eine gesetzliche Maßnahme, um zuckerreiche Lebensmittel unbeliebter zu machen, sind Steuern. Chile nimmt hier eine Vorreiterrolle ein. Bereits 2014 wurden Steuern auf Soft-Drinks erhöht – allerdings nur um fünf Prozent. Der Effekt auf das Kaufverhalten ist laut aktueller Studie minimal. Um das Ernährungsverhalten der Konsumenten nachhaltig zu verändern, reicht das nicht, betonen die Autoren. In Chile ging man jedoch noch einen Schritt weiter: Seit 2016 herrscht eine strenge Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel. Sie müssen ab einer bestimmten Menge an Zucker, Fett, Salz und Kalorien ein achteckiges Symbol mit einem Warnhinweis tragen: „Viel Zucker“, „viel gesättigte Fette“, „viel Salz“ und „viele Kalorien“ steht darauf. Auf diese Weise sollen vor allem Kinder davor geschützt werden, stark zucker- oder fetthaltige Produkte zu sich zu nehmen – und davor, ungesunde Ernährungsgewohnheiten zu entwickeln. Produkte, die einen Warnhinweis tragen, dürfen in Schulen nicht mehr verkauft werden. Zudem wurden Werbeeinschränkungen für ungesunde Lebensmittel eingeführt.
In einer Zusammenfassung des Country Report für das Land Chile steht, dass die Verkaufszahlen im ersten Jahr nach Einführung der Kennzeichnung durch Warnhinweise für bestimmte Produkte teilweise deutlich zurückgegangen seien. Das gelte vor allem für ungesunde Lebenmitteln wie Schokolade. Viele Hersteller haben laut Report daraufhin ihre Produkte so verändert, dass sie weniger Fett, Zucker, Salz und Kalorien enthalten – und so kein Warnsignal tragen müssen. In vielen Ländern wurden bereits ähnliche Maßnahmen eingeführt: So gibt es in 28 Ländern inzwischen eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke – unter anderem in Großbritannien, Frankreich, Irland, Finnland und Ungarn.
Insgesamt sei es wichtig, neben einer Lebensmittelkennzeichnung auch andere Maßnahmen einzuführen, um das angestrebte Ziel einer gesünderen Ernährung zu erreichen, sagt Sarmadi. Das betonen auch die Autoren der beiden Studien. „Abschreckende Bilder erregen auf jeden Fall Aufmerksamkeit. Aber gleichzeitig sind Informationen wichtig, damit die Käufer bewusst gesündere Entscheidungen treffen können“, sagt Stefan Bode. Wichtig seien Kampagnen, die die Bevölkerung darüber informieren, welche schädlichen Auswirkungen Zucker, Fett und Salz haben und worauf es bei einer gesunden Ernährung ankommt. Weitere Maßnahmen könnten höhere Steuern auf ungesunde Lebensmittel und Anreize für die Industrie sein, Lebensmittel mit weniger Fett, Zucker und Salz zu produzieren. So sieht das auch Christoph Klotter von der Hochschule Fulda: Er hält eine Kennzeichnung von Lebenmitteln, beispielsweise in Form einer Ampel, für eine unnötige Reglementierung. „Zunächst einmal ist die Verstoffwechslung von Nahrungsmitteln von Mensch zu Mensch unterschiedlich, sodass auch gesunde Ernährung für jeden etwas anderes bedeutet“, sagt der Ernährungspsychologe. „Man kann eigentlich nur Faustregeln aufstellen, etwa, dass man sich abwechslungsreich ernähren, frische Produkte und viel Gemüse zu sich nehmen sollte.“ Fett- oder zuckerhaltige Produkte zu „dämonisieren“, etwa durch rote Markierungen auf den Verpackungen, hält Klotter nicht für sinnvoll. So hätten Untersuchungen, etwa in Australien, gezeigt, dass durch eine Kennzeichnung zwar weniger zucker- und fetthaltige Lebenmittel gekauft würden, die Zahl der Übergewichtigen aber dennoch zugenommen habe. „Wenn Produkte Warnhinweise tragen, könnte das dazu führen, dass genau das Gegenteil erreicht wird“, so der Ernährungsexperte. „Das ‚Verbotene‘ erscheint dann attraktiver und das Begehren danach wird erhöht.“ Zudem würden bei einer Bewertung nach dem Fett- und Zuckergehalt möglicherweise auch Produkte rot gekennzeichnet, die gesund seien, wie etwa Olivenöl. „Stattdessen ist es sinnvoller, die Ernährungskompetenz zu fördern“, betont Klotter. „Dazu gehört auch, dass Essen Spaß machen soll und dass man das essen sollte, worauf man Lust hat. Zudem wäre es günstig, sich für Essen und auch die Auswahl und Zubereitung der Nahrungsmittel wieder mehr Zeit zu nehmen.“ Eine sinnvolle Maßnahme ist aus Sicht des Ernährungspsychologen auch, die relevanten Inhaltsstoffe auf Lebenmittelpackungen – und den Gehalt an Zucker, Fett oder Salz – größer und klarer erkennbar zu drucken. „Dann kann ein Käufer, der die entsprechende Ernährungskompetenz besitzt, selbst bewerten, wie gesund ein Produkt ist und selbst entscheiden, ob er es kaufen möchte oder nicht.“
Zu der Frage, ob Lebensmittel-Warnhinweise ein realistischer Weg sein können, um die Ernährung der Bevölkerung zu beeinflussen, äußert sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eher vage: „Allgemeine Warnhinweise sieht das allgemeine Lebensmittel-Kennzeichungsrecht nicht vor, sie müssen sich auch jeweils am Anspruch messen lassen“, so die Pressestelle des BMEL.
Zu den Studien mit drastischen Warnhinweisen möchte auch Dario Sarmadi von der Verbraucherorganisation Foodwatch keine abschließende Bewertung abgeben. „Insgesamt halten wir es jedoch für sinnvoll, die Nährwerteigenschaften von Lebenmitteln zu kennzeichnen – etwa in Form einer Ampel“, betont Sarmadi. Dabei würden ungesunde Lebensmittel, etwa mit hohem Zuckeranteil, eine rote, gesunde Produkte eine grüne Kennzeichnung tragen. „Dass eine Ampelkennzeichnung zu einem gesünderen Ernährungsverhalten beitragen kann, zeigen zahlreiche Studien, so der Politikwissenschaftler. Dabei bezieht er sich vor allem auf eine von Foodwatch selbst durchgeführte Studie aus dem Jahr 2009. „Die Ampel führt dazu, dass Verbraucher die Produkte besser vergleichen können und sich gesünder ernähren,“ argumentiert er. Immer mehr Länder in Europa und der Welt würden inzwischen bei der Ernährung regulierend eingreifen, so Sarmadi. „In Großbritannien gibt es eine Kennzeichnung, die den Gehalt an Fett, Zucker, Salz und Kohlenhydraten in Form einer Ampel anzeigt. Und in Frankreich wurde eine ‚Ampel‘eingeführt, die auch Ballaststoffe und Vitamine berücksichtigt und eine farbliche Kennzeichnung mit fünf Stufen – ähnlich den Energielabels auf Elektrogeräten – umfasst“. Diese Kennzeichnungen wurden unabhängig von der Industrie entwickelt, sind aber bislang freiwillig.
Hierzulande ist in puncto regulierender Maßnahmen bisher also wenig geschehen. Eine Kennzeichnung von Lebenmitteln in Form einer „Nährwertampel“ wurde bereits 2008 vom Deutschen Bundestag abgelehnt. Auch im Europaparlament wurde die Einführung einer solchen Ampel 2010 abgelehnt. Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, lehnt sowohl eine Zuckersteuer als auch eine Nährwertampel als „plakative Einzelmaßnahmen“ ab, die die Probleme nicht lösen würden. Für eine bessere Ernährungsweise müsse es ein Gesamtkonzept geben, nicht nur einzelne „Symbolaktionen“, so die Ministerin. „Wir brauchen eine verlässliche, wissenschaftlich fundierte Gesamtstrategie zur Reduzierung von Fett, Zucker und Salz.“ Dabei wolle sie vor allem die Ernährungsbildung und Ernährungskompetenz verbessern. Diese soll bereits in Kitas und Schulen beginnen. Zudem setzt sich Klöckner für eine „klare, wahre, leicht verständliche Lebensmittelkennzeichnung“ ein, die „nicht unsachlich simplifizieren“ soll. Wie diese aussehen soll, ist bisher unklar.
Im vergangenen Mai formulierte das Bündnis „Ärzte gegen Fehlernährung“ einen offenen Brief an die Regierung. Darin fordern mehr als 2.000 Ärzte, dass die Politik verstärkt gegen Fehlernährung aktiv werden sollte. Dem Bündnis gehören neben der Verbraucherorganisation Foodwatch 15 Ärzteverbände, Fachorganisationen und Krankenkassen an. Ins Leben gerufen wurde es vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Foodwatch. Konkret fordern die Ärzte vier Maßnahmen:
„Statt die Lebensmittelwirtschaft in die Pflicht zu nehmen, setzt die Bundesregierung fast ausschließlich auf freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie und auf Programme für Ernährungsbildung“, kritisiert Sarmadi. „Aber die letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass man allein mit Ernährungsbildung nur einen Teil der Menschen erreicht.“ Eine verpflichtende Kennzeichnung von Lebensmitteln müsste zwar auf EU-Ebene eingeführt werden. „Aber man könnte eine farbliche Lebensmittel-Kennzeichnung in Deutschland zunächst freiwillig einführen – und sich auf EU-Ebene für eine verpflichtende Kennzeichnung stark machen“, so Sarmadi. „Das ist jedoch bisher nicht geschehen.“