Gesetzliche Krankenkassen haben ein neues Betätigungsfeld entdeckt, nämlich Einsparungen bei Zytostatika. Sie drängen Apotheker immer stärker aus diesem Bereich. Ein höchstrichterliches Urteil kommt ihnen nur allzu gelegen. Doch ist die Herstellung beim Arzt wirklich wirtschaftlicher?
Krankenkassen setzten auch bei Zytostatika die Daumenschraube an. Ende 2015 hatte das Bundessozialgericht entschieden, Zyto-Ausschreibung der AOK Hessen seien legitim (Az.: B 3 KR 16/15 R). Das ließen sich andere GKVen nicht zweimal sagen. DAK und GWQ ServicePlus schrieben vor wenigen Wochen 322 Lose aus – mit einem geschätzten Volumen von 427 Millionen Euro pro Jahr. Apotheken können für bis zu acht Lose bieten. Mit Zuschlägen rechnen Standesvertreter noch im September. Doch der Ärger ist vorprogrammiert.
Vor dem Sozialgericht Würzburg klagte ein Apotheker gegen die AOK Bayern – sie wollte herstellungsübliche Verwürfe nicht erstatten. Der Kollege bekam Recht, momentan in erster Instanz (Az. S 17 KR 260/14). Die Kasse hatte vom Arzt gefordert, monoklonale Antikörper als Fertigarzneimittel zu verschreiben und selbst in physiologische Kochsalzlösung einzubringen. Allerdings konnten weder Richter noch die Prüfungsstelle und Beschwerdeausschuss Ärzte Bayern ein unwirtschaftliches Verhalten erkennen. Mediziner könnten nicht verpflichtet werden, Zytostatika-Rezepturen selbst herzustellen, lautete der Tenor.
Diese Ansicht wird vom Bundessozialgericht nicht geteilt (Az.: B 6 KA 3/15 R). Juristen argumentieren mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot. „Ein Vertragsarzt kann verpflichtet sein, Arzneimittel zur Anwendung an seinen Patienten selbst gebrauchsfertig zu machen, statt diese zur Anfertigung als Rezeptur durch eine Apotheke zu verordnen, weil dies regelmäßig kostengünstiger und damit (allein) wirtschaftlich ist“, heißt es im Schriftsatz. Das Gebrauchsfertigmachen von Arzneimitteln sei entgegen der Ansicht aus Vorinstanzen nicht dem pharmazeutischen Bereich zuzuordnen, soweit es sich um einen „selbstverständlichen Bestandteil einer ärztlichen Behandlungsmaßnahme“ handele.
Das Urteil wirft jedoch weitere Fragen auf. Ist die Herstellung gebrauchsfertiger Zytostatika-Lösungen beim Arzt wirklich wirtschaftlicher als die Anfertigung in spezialisierten Apotheken? Und welcher Aufwand kann als – wie die Richter schreiben – „zumutbar“ für Praxen bewertet werden?