In einer klinischen Studie im DZIF erhalten Leukämiepatienten nach einer Knochenmarktransplantation erstmals speziell aufgereinigte T-Gedächtniszellen. Diese sollen die Patienten vor Infektionen schützen, bis deren eigene Abwehr funktioniert.
„In dieser Studie geht es zuallererst darum, den Patienten zu helfen, die an schwerer Leukämie erkrankt sind und nur durch eine Knochenmarktransplantation geheilt werden können“, erklärt Dr. Michael Neuenhahn von der TU München. Gemeinsam mit Prof. Dirk Busch, ebenfalls TU München, leitet er die klinische Studie der Phase I/II, in der vor kurzem der erste Patient behandelt werden konnte. Normalerweise sind die Patienten nach einer Knochenmarktransplantation in großer Gefahr: Ihr Immunsystem, das zuvor gemeinsam mit den kranken Zellen ausgeschaltet wurde, muss sich erst wieder neu aufbauen, was bis zu einem Jahr dauern kann. Diese Immunschwäche können Infektionserreger ausnutzen und schwere Krankheiten auslösen. Beispiele sind Herpesviren wie das Zytomegalie- oder das Epstein-Barr-Virus. Um diese Komplikationen zu vermeiden, verabreichen die Wissenschaftler nun prophylaktisch speziell aufbereitete T-Gedächtniszellen in geringer Menge. Sie können die häufig auftretenden Infektionserreger erkennen und abwehren. „Die speziell aufgereinigten T-Gedächtniszellen, Untergruppen der T-Lymphozyten, werden in der aktuellen Studie weltweit erstmals in dieser Form verabreicht“, erklärt Dirk Busch. Gemeinsam mit der Firma JUNO hat der Wissenschaftler in den letzten Jahren ein innovatives Zellaufreinigungsverfahren entwickelt, mit dem die gewünschten Zellen ganz gezielt aus dem Blut eines gesunden Spenders isoliert werden können. In vielen Vorversuchen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass vor allem diese Zellen schon in geringster, gut verträglicher Dosierung Schutz vor Infektionen bieten. Ein großer Vorteil, denn T-Zellen können Segen und Fluch sein. Gibt man sie in zu großer Menge ungefiltert an Patienten weiter, kann es zu Abstoßungsreaktionen kommen, bei denen die T-Zellen auch die gesunden Zellen angreifen. Sind sie allerdings gar nicht vorhanden, vermehren sich die gefürchteten Infektionserreger.
„Unser Ziel ist es, das Infektionsrisiko zu verringern, ohne Abstoßungsreaktionen zu riskieren“, erklärt Neuenhahn und ist nach allen Vorversuchen zuversichtlich, dass es funktioniert. 30 Leukämiepatienten sollen im Laufe eines Jahres prophylaktisch die T-Zellen erhalten. Die Dosierung wird jeweils langsam gesteigert, um die optimale Dosis zu ermitteln. Die Patienten werden in kurzen Zeitabständen auf Infektionen untersucht. Die Aufreinigung der Zellen findet unter Reinraumbedingungen in München statt. Studienpatienten können in Würzburg sowie an den DZIF-Standorten Tübingen und Hannover behandelt werden.
„Wir sind sehr überzeugt von diesen T-Gedächtniszellen“, so Dirk Busch. Sie schützen vor Infektionen mit einer ganzen Reihe von Erregern. Busch sieht die Studie außerdem als „Proof of Concept“, der das Verfahren für den breiten klinischen Einsatz öffnen kann. Zum einen als Infektionsprophylaxe auch bei anderen Organtransplantationen und Situationen, in denen das Immunsystem des Patienten geschwächt ist. Zum anderen mache die Technologie es aber auch möglich, die Zellen in der Zukunft so zu manipulieren, dass sie Krebszellen gezielt angreifen können.