Forscher raten Neurologen, bei Multipler Sklerose möglichst früh zu intervenieren. Das zeigen Langzeitdaten. Gleichzeitig warnen sie vor seltenen Komplikationen bei der Immunsuppression. Ein neuer Marker hilft, Risikopatienten zu identifizieren.
Bei Multipler Sklerose (MS) treten erste Beschwerden oft zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr auf. Neurologen beobachten zu Beginn klinisch isolierte Symptome (KIS) wie Seh- und Sensibilitätsstörungen. Die Vorboten einer MS bilden sich anfangs noch zurück, bleiben im späteren Krankheitsverlauf jedoch bestehen.
Erste Hinweise, möglichst bald mit der Pharmakotherapie zu beginnen, lieferte die industriefinanzierte BENEFIT-Studie: 468 Patienten mit KIS wurden hinsichtlich der weiteren Strategie, also Interferon-Gaben oder Abwarten, randomisiert. In der Gruppe ohne sofortige Arzneistoffgabe vergingen durchschnittlich 1,5 Jahre, bis ebenfalls Therapien erforderlich waren. Jetzt hat Ludwig Kappos aus Basel neue Daten zum elfjährigen Follow-up veröffentlicht. Er untersuchte 278 aller 468 Studienteilnehmer. Von ihnen gehörten 167 Patienten zur Gruppe mit frühzeitiger Therapie. Weitere 111 Patienten hatten erst später Pharmaka erhalten. Bis heute treten Kappos zufolge signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen auf. Wer früh Arzneimittel erhalten hatte, erkrankte zu 33 Prozent seltener an einer definitiven Multiplen Sklerose. Weitere Unterschiede zeigten sich bei Krankheitsschüben – diese waren unter frühzeitiger Intervention um 19 Prozent seltener. Bis zum ersten Rückfall verging deutlich mehr Zeit (1.888 versus 931 Tage). Bleibt als Fazit für die Praxis: „Die Frühtherapie der schubförmigen MS mit IFN-ß-Präparaten oder Glatirameracetat ist als neues Paradigma zu empfehlen, nachdem vier positive Studien mit Klasse-I-Evidenz vorliegen“, heißt es in der S2e-Leitlinie „Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose“. Quelle: Wikipedia/Vhancer
Sprechen Arzneistoffe der ersten Wahl nicht an, bleiben noch Pharmaka zur Immunsuppression. In diese Gruppe gehören primär Natalizumab, aber auch Fingolimod und Dimethylfumarat. Sie führen in seltenen Fällen zur progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML). Jérôme Hodel aus Lille identifizierte jetzt einen Marker, um gefährdete Menschen mit MS zu identifizieren. Bei 18 von 20 PML-Patienten fand er im 3T-Magnetresonanztomographen punktförmige Läsionen. In einer Kontrollgruppe mit MS-Patienten ohne die Komplikation trat das Phänomen nicht auf. Gibt es Hinweise auf PML, bleibt Neurologen nur, die immunsuppressive Therapie zu reduzieren beziehungsweise Natalizumab zu ersetzen. In der Praxis verfügen nicht alle Einrichtungen über ein leistungsstarkes MRT. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) schätzt, dass bundesweit mindestens 15 bis 19 Zentren entsprechend ausgestattet sind.