Jedes Jahr kommen in Deutschland 8.000 Frühchen mit einem Gewicht von weniger als 1.500 Gramm zur Welt. Um eine drohende Frühgeburt zu verhindern, hilft eine Zervixcerclage. Eine aktuelle Studie zeigt, wie wichtig hierbei die Wahl des Fadens ist.
Extreme Frühchen haben mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen. Amerikanische Forscher untersuchten 219 ehemalige Frühgeburten im Alter von acht Jahren und verglichen ihre Resultate mit einer Kontrollgruppe. Rund 21 Prozent litten an Asthma bronchiale (Vergleich neun Prozent). Hinzu kamen motorische Störungen (47 versus 10 Prozent) und ein Intelligenzquotient unter 85 (38 versus 10 Prozent). Zu den Risikofaktoren einer Frühgeburt zählen sowohl die Zervixlänge als auch der fetale Fibronektin-Spiegel.
Eine Verkürzung des Gebärmutterhalses beziehungsweise ein hoher Fibronektin-Spiegel im Vaginalsekret weisen auf drohende Frühgeburten hin. Andrew Shennan aus London hat für Ärzte jetzt eine App namens „QUiPP“ entwickelt, um das Risiko einfach zu berechnen. Die Algorithmen entstanden auf Basis der laufenden EQUIPP-Studie (Evaluation of Quantitative Fetal Fibronectin in Prediction of Preterm Birth). © QUiPP Shennan unterscheidet zwei Szenarien. Bei asymptomatischen Frauen mit bekannten Risikofaktoren, etwa einer Frühgeburt, einer Fehlgeburt oder einem vorzeitigen Blasensprung in der Vorgeschichte, geben Gynäkologen die kürzeste gemessene Zervixlänge und den Fibronektinwert ein. Das Prädiktionstool erzielte bei der Frage, ob es innerhalb der nächsten Wochen zur Frühgeburt kommt, ROC-Werte zwischen 0,77 und 0,99. Die zweite Variante kommt bei symptomatischen Patientinnen zum Einsatz, die sich beispielsweise in einer Notfallambulanz vorstellen. Nur bei fünf Prozent aller Frauen führen vorzeitige Wehen zwischen der 20. und der 37. Schwangerschaftswoche tatsächlich zu einer Frühgeburt. Neben bekannten Risiken geben Ärzte lediglich den Fibronektinwert ein. Hier lieferte die App mit ROC-Werten zwischen 0,77 und 0,88 lediglich Anhaltspunkte. Angesichts dieser Unsicherheiten suchen Ärzte nach Ergänzungen. Yujing Jan Heng aus dem kanadischen Ontario bringt einen Bluttest ins Spiel. Sie untersuchte die Expression von 469 Genen bei Frauen, die ihren Nachwuchs vorzeitig bekamen. Mit neun ausgewählten Genen erzielte die Wissenschaftlerin eine Sensitivität von 70 Prozent und eine Spezifität von 75,5 Prozent, falls sie bekannte Laborparameter ebenfalls berücksichtigte. Heng schreibt, ihre Resultate seien besser als der reine Fibronektintest.
Finden Ärzte Hinweise auf eine drohende Fehlgeburt, setzen sie mitunter Progesteron vaginal ein. Älteren Studien zufolge gelingt es, die Gefahr bei Frauen mit bekannten Risikofaktoren in der Anamnese, aber auch speziell mit Zervixverkürzung, um mehr als 30 Prozent zu senken. Die britische OPPTIMUM-Studie liefert erstmals hochwertige Daten zu der Frage, ob Mutter und Kind auch postpartal profitieren. Jane Elizabeth Norman aus Edinburgh rekrutierte zusammen mit Kollegen 1.228 Frauen. Alle Teilnehmerinnen hatten aus unterschiedlichen Gründen ein erhöhtes Risiko, Frühgeburten zu erleiden. Alle Teilnehmerinnen erhielten ab der 22./24. Woche bis zur 34. Woche täglich 200 Milligramm Progesteron oder Placebo als Vaginalkapsel. Norman interessierte sich für die Frage, ob Ungeborene oder Neugeborene vom Steroid profitieren. Sie verglich in beiden Gruppen die Zahl an fetalen Todesfällen oder Geburten vor der 34. Woche. Außerdem erfasste sie Hirnverletzungen oder bronchopulmonale Dysplasien. Ein Screening der neurokognitiven Entwicklung im Alter von zwei Jahren kam mit hinzu. Dabei schnitt die Pharmakotherapie nicht signifikant besser ab als die Scheinmedikation. Als Einschränkung muss erwähnt werden, dass lediglich lediglich 69 Prozent aller Teilnehmerinnen ihr Präparat regelmäßig eingesetzt hatten.
Bleibt als Alternative, den Muttermund operativ zu schließen. Ärzte entschlossen sich in Deutschland bei 4.250 schwangeren Frauen zu diesem Eingriff, Stand 2014. In etwa zwei Drittel aller Fälle geschah dies via Cerclage. Bei der McDonald-Methode wird eine Tabaksbeutelnaht um den Gebärmutterhals gelegt. Dafür nimmt man üblicherweise einen monofilen Faden. Bei der Shirodkar-Methode wird ein geflochtener Faden unter die Haut des Gebärmutterhalses gelegt. Jetzt hat ein Team um Lindsay M. Kindinger, London, eine vergleichsweise hochwertige Studie zu Unterschieden veröffentlicht. Gynäkologen verschlossen den Gebärmutterhals bei 678 Frauen entweder mit einem einfädigen oder mit einem gesponnenen, mehrfädigen Garn. Kindinger fand deutliche Unterschiede zwischen monofilen und geflochtenen Fäden – sowohl bei der Rate an Fehlgeburten (fünf versus 15 Prozent) als auch bei der Rate an Frühgeburten (17 versus 28 Prozent). Mit Hilfe einer DNA-Sequenzierung aller Bakterien haben Forscher festgestellt, dass bei geflochtenen Fäden mehr unterschiedliche Bakterien und damit auch mehr pathogene Keime vorkommen als bei monofilen Fäden. Sie vermuten, der geflochtene Faden sei ein besserer Nährboden für pathogene Keime. Doch die Tatsache, dass sich das vaginale Keimspektrum verschiebt, deutet nicht zwangsläufig auf ein höheres Infektions- und Frühgeburtsrisiko hin. Welche Rolle vielleicht das Mikrobiom spielt, lässt sich nur durch prospektive klinische Studien klären.
Wie dringlich eine bessere Prävention bei Frühgeburten ist, zeigt auch eine aktuelle Studie von Saroj Saigal aus dem kanadischen Ontario. Er wollte wissen, wie sich Frühchen als Erwachsene im Berufs- oder Privatleben behaupten. Grundlage seiner Arbeit waren Daten von 100 Probanden, die zwischen 1977 und 1982 zu früh auf die Welt gekommen waren. Hinzu kamen 89 Personen ohne diesen Hintergrund. Saigal fand Unterschiede bei der Berufstätigkeit (80 versus 92 Prozent) und beim Jahreseinkommen (26.500 versus 46.500 kanadische Dollar). In der Kohorte mit ehemaligen Frühchen hatten deutlich mehr Teilnehmer nie geheiratet (51 versus 35 Prozent), waren kinderlos (80 versus 67 Prozent) und hatten noch nie Sex gehabt (21 versus 2 Prozent). Als Grund gibt Saroj Saigal Einschränkungen wie Sehschwächen (64 versus 14 Prozent), ein schlechtes Gehör (11 versus 3 Prozent) oder Störungen bei der Koordination von Bewegungen (64 versus 14 Prozent) an. Kein Wunder, dass Ärzte versuchen, anhand von Risikofaktoren drohende Frühgeburten zu erkennen.