Forscher sind bei der Suche nach den Ursachen von Morbus Parkinson auf eine heiße Fährte gestoßen: Sie beobachteten eine Verbindung von parkinsontypischen genetischen Veränderungen mit einer T-Zell-Aktivierung. Zittern und Bangen für neue Therapiemöglichkeiten?
Erstmalig beschrieben wurde die „shaking palsy“ bereits im Jahre 1817 durch James Parkinson, doch knapp 200 Jahre später sind die genauen Ursachen für die Entstehung eines Morbus Parkinson immer noch ungeklärt. Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass ein multifaktorielles Geschehen hinter Akinese, Tremor und Co. steckt. Natürlich wurden auch genetische Ursachen ins Visier genommen und stark beforscht – mit dem Ergebnis, dass eine ganze Reihe von Genen im Verdacht steht, an der Pathogenese beteiligt zu sein. Gleichzeitig nährt die Wissenschaft die Evidenz, dass autoimmunologische Veränderungen genau wie mitochondriale Dysfunktionen den Dopaminmangel mitverantworten. Nun hat eine Arbeitsgruppe um Dr. Michel Desjardins von der University of Montreal und Dr. Heidi McBride von der McGill University eine äußerst spannende Entdeckung gemacht, die möglicherweise eine Verbindung zwischen den drei pathogenetischen Komponenten – genetisch, autoimmunologisch und mitochondrial – herstellt: In einer aktuellen Studie konnten sie beobachten, dass eine Dysfunktion der Gene PINK1 und Parkin in vitro und in vivo eine mitochondriale Antigenpräsentation durch MHC-1-Moleküle bewirken kann: Dadurch wird einer Zerstörung der Zellen durch zytotoxische T-Zellen der Weg bereitet. Zelle, in der PINK1 fehlt. Intakte Mitochondrien (grün) und mitochondriale Antigenpräsentation (rot) © Montreal Neurological Institute and Hospital Es zeigte sich, dass über den Transport von mitochondrialen Vesikeln zu den Endosomen letztlich eine Antigenpräsentation aktiviert wird. Normalerweise würden die Proteine PINK1 und Parkin diesen Transportweg inhibieren. Fehlten aber die Genprodukte, bleibe die Inhibition aus. Dieser Mechanismus könnte einen Erklärungsansatz für den Untergang dopaminerger Neurone bei Parkinsonsyndromen liefern. Die Ergebnisse sind aber nicht nur für Parkinson-Patienten bedeutend. Denn den Mechanismus, wie die mitochondriale Antigenpräsentation über den Transport von Vesikeln gesteuert wird, wiesen die Forscher erstmalig nach. „Die Rolle, die PINK1 und Parkin bei der Inhibition der mitochondrialen Antigenpräsentation spielen, könnte nicht allein für die Parkinsonerkrankung entscheidend sein, sondern auch anderen Autoimmunerkrankungen wie Diabetes, Lupus und primär billiäre Zirrhose zugrunde liegen, bei denen bereits eine Verbindung zur mitochondrialen Antigenpräsentation hergestellt werden konnte“, kommentiert Dr. Desjardins die Studienergebnisse.
In der neuroimmunologischen Forschung ist man zurzeit nicht gerade bradykinetisch unterwegs: Erst im Jahre 2014 postulierten Cébrian et al., dass Neurone in relevantem Ausmaß MHC-1-Moleküle exprimieren und so die Voraussetzung geschaffen wird für eine T-Zell-Aktivierung innerhalb des neuronalen Netzwerks. Zuvor war jahrzehntelang angenommen worden, Neurone seien geschützt vor Angriffen des Immunsystems: „Diese Idee ergab Sinn, denn unser Gehirn kann – außer in seltenen Fällen – die durch das Immunsystem zerstörten Zellen nicht ersetzen. Doch unerwarteterweise haben wir festgestellt, dass einige Neurontypen Antigene präsentieren können“ kommentierte Dr. Sulzer, Mitglied der Arbeitsgruppe, damals die Situation. Bei den angesprochenen Neurontypen handelte es sich interessanterweise um katecholaminerge Neurone der Substantia nigra und des Locus coeruleus. Dadurch wurde mit der Dopamin-produzierenden Substantia nigra somit ein zentraler Ort des pathologischen Geschehens des Morbus Parkinson quasi zu einem besonders anfälligen Gewebe für eine T-Zell-vermittelte Zerstörung erklärt. Die Forscher induzierten in ihrem Studienmodell die MHC-1-Expression über das Zytokin Interferon-gamma (IFN-γ). Im ZNS wird IFN-γ von der Mikroglia produziert, den Makrophagen des Gehirns. Die Mikroglia wiederum kann selbst auch aktiviert werden – und zwar unter anderem durch α-Synuclein, dem Hauptbestandteil der Lewy-Körper und damit durch ein weiteres zytologisches Korrelat des Morbus Parkinson.
Die neuen Erkenntnisse eröffnen ganz neue Ansätze für die Therapie des Morbus Parkinson und stellen die Möglichkeit in Aussicht, zukünftig auf gezielte immunologische Therapien zurückgreifen zu können. Der Vesikeltransport als Regulator der mitochondrialen Antigenpräsentation könnte einen Angriffspunkt für eine solche gezielte Therapie und die Basis für die Entwicklung neuer Medikamente darstellen. Bisher läuft die Behandlung von Parkinson-Patienten hauptsächlich symptomatisch ab. Durch Substitution des Dopamins, allen voran durch L-DOPA, können die Symptome oftmals vor allem in den ersten Erkrankungsjahren mehr oder weniger kontrolliert werden. Die Neurodegeneration schreitet jedoch voran und kausale Therapieansätze existieren bislang nicht. Auch die Option, ganz allgemein autoimmunologische Prozesse bei der Parkinsonerkrankung zu modulieren, rückt in den Fokus. Eine Möglichkeit könnte sein, die Entzündungsreaktion auf Ebene der proinflammatorischen Zytokine zu stoppen. Neben erhöhten Leveln an IFN-γ weisen Parkinson-Patienten auch erhöhte Konzentrationen an IL-1, IL-6 und TNF-α auf. Der Einsatz von monoklonalen Antikörpern wie TNF-α-Inhibitoren könnte eine vielversprechende Option darstellen. Auch Glukokortikoide kämen mit ihren antiinflammatorischen Effekten infrage und wurden in Studien vielfach bei entzündlichen Prozessen innerhalb des Gehirns eingesetzt. Insbesondere für Dexamethason konnte ein protektiver Effekt auf dopaminerge Neurone beobachtet werden.
Ähnliches gilt auch für die nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Aspirin oder Ibuprofen: Hier gibt es Hinweise, dass eine Langzeiteinnahme das Parkinsonrisiko um mehr als 20 % reduziert, was möglicherweise für ein hohes therapeutisches Potenzial dieser Substanzklasse spricht. Auch das Tetrazyklin-Analogon Minocyclin sowie der Opioid-Antagonist Naloxon zeigen antiinflammatorische Wirksamkeit jenseits der Blut-Hirn-Schranke. Die neuen Erkenntnisse müssen natürlich noch weiter beforscht werden und neue Therapien können nicht gleich leichthin aus dem Ärmel geschüttelt werden. Allerdings wecken die Ergebnisse die Hoffnung, die zweithäufigste der neurodegenerativen Erkrankungen zukünftig vielleicht doch zum Stillstand bringen zu können – und die Betroffenen aus Selbigem zu befreien.