Verbraucherrecht trifft Arzneimittelrecht: An der Frage, ob Medikamente beim Online-Versand retourniert werden dürften, scheiden sich juristische Geister. Viele Argumente greifen auch in der Offizin, sollten Patienten Präparate zurückgeben.
Seit Mitte 2014 gilt für Online-Anbieter eine EU-Verbraucherrichtlinie. In Deutschland verpflichtet der Gesetzgeber Internet-Anbieter, in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) auf entsprechende Rechte hinzuweisen. Kunden haben die Möglichkeit, Bestellungen innerhalb von zwei Wochen telefonisch, über die Website oder per E-Mail zu widerrufen. Dafür müssen sie keine Gründe anführen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. März 2016 – Az. VIII ZR 146/15). Wie ist die Lage bei Versandapotheken?
Das Widerrufsrecht besteht laut Paragraph 312g des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht bei „Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind“. Als weitere Ausnahme werden „Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können (...)“ genannt. Beide Aspekte treffen auf patientenindividuelle Rezepturen zu. Hier ist die Sachlage noch relativ klar.
Der Gesetzgeber äußert sich auch über „Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“. Das trifft auf OTCs, Rx-Präparate oder apothekenübliche Produkte bis hin zur Kosmetik zu, falls sie tatsächlich Sicherheitsmerkmale tragen. Ob hier alle Medikamente gemeint sind, ist bei Juristen umstritten. Eine gesetzliche Konkretisierung gibt es nicht. Bleibt zu hoffen, dass europäische Sicherheitsbestimmungen, Stichwort securPharm, zu klaren Rahmenbedingungen führen. Der Passus zum Ausschluss von „Verträgen zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können“, hat für kühlpflichtige Medikamente Relevanz.
Mit Siegeln ist es nicht getan, wie ein Blick in die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) zeigt. „Es muss eine Lagerhaltung unterhalb einer Temperatur von 25 Grad Celsius möglich sein“, heißt es in Paragraph 4. Wie sollen Apotheker gewährleisten, dass Medikamente nicht Stunden oder Tage im heißen Auto gelegen haben, bevor sie wieder in der Apotheke landen? Hier nimmt der Gesetzgeber auch Großhändler in die Pflicht, zu prüfen, ob es sich um verkehrsfähige Präparate handelt oder nicht (Arzneimittelhandelsverordnung, AM-HandelsV, Paragraph 7b).
Ratlosigkeit bleibt dennoch, wie die Rechtsprechung zeigt. Ein Urteil des Amtsgerichts Köln sah zu Zeiten des alten Verbraucherrechts Rückgabemöglichkeiten vor (Urteil vom 31.05.2007 – Az. 111 C 22/07). Das Landgericht Halle argumentierte jedoch mit der Arzneimittelsicherheit (Urteil vom 8.01.2013 – Az. 8 O 105/12). Bleibt nur, auf höchstrichterliche Urteile zu warten.