Die FLAME-Studie stellt inhalative Steroide bei COPD infrage und könnte damit die medikamentöse Therapie der Lungenerkrankung grundlegend verändern. Laut FLAME schützt die Kombination aus Beta-2-Agonisten (LABA) plus lang wirksames Anticholinergikum (LAMA) besser.
Gefühlt kommen wöchentlich neue Kombinationen zur Behandlung von COPD (Chronic Obstructive Lung Disease) auf den Markt. Das ermöglicht zwar eine patientenorientierte Therapie, lässt aber auch die Frage nach dem Benefit für den COPDisten aufkommen. Neue Studien bringen den Status der inhalativen Corticosteroide (ICS) stark ins Wanken. Lang wirksame Bronchodilatatoren reduzieren die pulmonale Überblähung, Antimuskarinika (LAMA) sind noch wirksamer als Beta-2-Agonisten (LABA). Als besonders effektiv hat sich aber die Kombination beider Wirkprinzipien erwiesen. Dies geht auch aus den Leitlinien hervor, die vermutlich vor einer Änderung stehen. ICS haben hier noch einen gewissen Stellenwert. Sie steigern die inspiratorische Kapazität, die körperliche Belastbarkeit und reduzieren dadurch das subjektive Atemnotempfinden stärker als ein LAMA oder LABA alleine. Dieser Ansicht ist auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKDAE).
Die FLAME-Studie sollte zeigen, dass eine Kombination mit dem LABA Indacaterol und dem LAMA Glycopyrronium einer Standardkombination aus dem LABA Salmeterol und dem Steroid Fluticason nicht unterlegen ist. (Kleiner Tipp zur Nomenklatuar: LABAS enden auf „ol“ LAMAS auf „ium“.) An der Studie nahmen 3.362 Patienten mit COPD teil, die in dem Jahr vor Studienbeginn mindestens eine Exazerbation erlitten hatten. An 356 Zentren in 43 Ländern wurden die Patienten auf eine Kombination von Indacaterol (110 µg) plus Glycopyrronium (50 µg) einmal täglich oder auf eine Kombination aus Salmeterol (50 µg) plus Fluticason (500 µg) zweimal täglich randomisiert. Primärer Endpunkt war die jährliche Rate der Exazerbationen nach den Kriterien von Anthonisen. Die LABA/LAMA-Kombination Indacaterol/Glycopyrronium war, verglichen mit der der LABA/ICS-Kombi Salmaterol/Fluticason, nicht nur ebenbürtig, sondern signifikant überlegen. Die Rate aller Exazerbationen von leicht bis schwer, wurde um 11 Prozent reduziert. Bei moderaten bis schweren Exazerbationen wurde sogar eine 17-prozentige Risikoreduktion ermittelt. Die Zeit bis zur ersten moderaten oder schweren Exazerbation stieg um 22 Prozent. In der Kortikoidgruppe war zudem das Pneunomierisiko signifikant höher. Üblicherweise sind mehrere Studien notwendig, um zu einer Veränderung der Leitlinien zu führen. Andere Studien zweifelten jedoch auch schon am grundsätzlichen Nutzen von inhalativen Kortikoiden bei COPD. Anzumerken ist, dass bei großen Indikationgebieten wie KHK, Diabetes und COPD ein Großteil der Studien nur mit der finanziellen Unterstützung der Pharmaindustrie realisierbar ist. Jetzt müssen weitere Untersuchungen zeigen, welche Kombi für welchen Patienten die geeignetste ist.
Die WISDOM-Studie („Withdrawal of Inhaled Steroids during Optimized Bronchodilator Management“) ist die mit Abstand größte Studie zum Ausschleichen einer Steroidtherapie bei der COPD. An 200 Studienzentren in 23 Ländern wurden zwischen Februar 2009 und Juli 2013 insgesamt 3.426 Patienten mit schwerer COPD auf zwei Studienarme randomisiert. Alle Patienten erhielten zunächst über sechs Wochen eine Dreifachkombination aus Tiotropium, Salmeterol und dem Steroid Fluticason. Zwischen der siebten Woche und der siebzehnten Woche setzte die Hälfte der Patienten das inhalative Steroid langsam ab, die andere Hälfte behielt die ursprüngliche Therapie bei. Kortikoide haben in der langfristigen Anwendung zahlreiche Nebenwirkungen wie Candidainfektionen, erhöhte Blutungsneigung sowie Verminderung der Knochendichte. Das Weglassen des Kortikoides war nicht mit einer erhöhten Exacerbationsrate verknüpft. Bereits in der SUMMIT-Studie verfehlte eine ICS/LABA-Kombination mit 16.485 Patienten das primäre Studienziel, das Überleben von COPD-Patienten gegenüber Placebo zu verbessern.
So zukunftsweisend die FLAME-Studie auch ist, es bleiben zahlreiche Fragen offen. Welche Nische gibt es für Kortikoide noch bei der COPD? Lassen sich die Ergebnisse der Einzelsubstanzen auf die gesamten Gruppen LAMA und LABA übertragen? Welche Kombi ist am stärksten wirksam und am besten verträglich? Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) kommt beispielsweise in seiner Bewertung der Fixkombi Glycopyrronium (LAMA) und Indacaterol (LABA) zu einem heterogenen Urteil und sieht bei zahlreichen Indikationen keinen Vorteil gegenüber der Kombination Ipratropium (LAMA) mit Formoterol (LABA).
In einer Studie von Santus et al. wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Glycopyrronium mit Aclidinium verglichen. Der LAMA Aclidinium hat, verglichen mit allen Mitbewerbern, die geringste systemische Bioverfügbarkeit (etwa 5 Prozent). Was bei jedem Diabetes- oder Blutdruckmittel zu einer dramatischen Abwertung führen würde, ist für alle lokal wirkenden Pharmaka ein großes Benefit. Je geringer die systemische Verfügbarkeit ist, desto geringer sind die Nebenwirkungen, da ja nur wenig Substanz im Plasma auftaucht. Tachykardien und Mundtrockenheit sind auch deshalb vergleichsweise gering, da die Substanz im Plasma rasch hydrolysiert und somit abgebaut wird. Die Halbwertzeit ist im Vergleich zu den anderen LAMAs extrem kurz. Klingt erst mal nicht gut, aber Halbwertzeit darf nicht mit Wirkdauer verwechselt werden. Aclidinium verbleibt lange am Rezeptor und nur kurze Zeit im Plasma, das mindert das Risiko für Neben- und Wechselwirkungen. Aclidinium wirkt „nur“ 12 Stunden, da schaffen andere LAMAs mehr. Bei Erkrankungen mit einem Leidensdruck ist jedoch eine zweimal tägliche Anwendung nicht hinderlich für die Adhärenz, sondern ein Vorteil für den Patienten. Er „darf“ sein Mittel vor dem Schlafengehen noch mal anwenden und kommt beschwerdefrei durch die Nacht.
Eine Studie von Crystyn et al. belegt, dass nicht nur der Wirkstoff eine große Rolle bei der Patientenzufriedenheit spielt, sondern auch das Device. Das Dosieraerosol oder der Pulverinhalator sollen einfach, fehlerfrei und mit nur wenigen Arbeitsschritten angewendet werden können. Die Atemwegsliga bietet zahlreiche Hilfen für COPD-Patienten an, unter anderem einen Flyer, der anschaulich erklärt, wie man richtig inhaliert.
Doch die Therapietreue wird nicht nur die Verträglichkeit der Wirkstoffe und die Handhabung des Devices bestimmt. Ein weiterer Faktor ist wichtig: die Psyche. In einer Studie wurden die Daten von 31.033 Patienten, die zwischen 2006 und 2010 die Diagnose COPD bekamen, ausgewertet. Untersucht wurde, inwieweit eine Depression einen Einfluss auf die Adhärenz ausübt. COPD-Patienten, die eine depressive Episode erleiden, zeigen eine schlechtere Therapietreue in ihrer Therapie als psychisch gesunde Patienten. Forscher um Linda Simoni-Wastila von der University of Maryland School of Pharmacy berichten, dass die Einnahme der Medikamente sich um die Hälfte reduzieren kann. 20 Prozent der Probanden erkrankten während des Beobachtungszeitraums an einer Depression. Nach der ersten Verschreibung nahmen noch 57 Prozent aller Patienten ihre Medikamente zuverlässig ein, nach sechs Monaten waren es nur noch 35 Prozent. Die depressiv vorerkrankten Patienten hatten hierbei ein wesentlich höheres Risiko, ihre COPD-Therapie nicht weiterzuführen. Die Autoren empfehlen, besonders bei betagten COPD-Patienten eine Depression in die Analyse der Komorbiditäten mit einzubeziehen. Die Daten belegen auch, dass unbehandelte psychische Erkrankungen eine bedeutsame Rolle für die Behandlung somatischer Erkrankungen spielen.
Der Verband COPD-Deutschland e.V. hat eine Patientenbroschüre zum Thema COPD: Auswirkungen auf Alltag, Psyche und Lebensqualität herausgegeben. Dort erfährt der Patient, dass Depressionen einerseits Ausdruck einer psychischen Reaktion auf die körperliche Grunderkrankung COPD und den damit einhergehenden Einschränkungen sein kann. Andererseits können aber auch Medikamente zur Behandlung der COPD (Corticoide, Beta-Agonisten, Theophyllin etc.) oder auch die Entwöhnung von Nikotin, Angst und Depressionen auslösen.
Bewegung ist gut für Patienten mit COPD. Eine Monsterjäger-App schafft es, sogar eingefleischte Couchpotatoes zur Bewegung zu motivieren. So etwas gibt es nun auch für Atemwegspatienten. In der „Mission: Schweinehund“ gibt es für jede Trainingseinheit Ressourcen, die zum Bau eines virtuellen Gartens verwendet werden. Außer für COPD-Patienten eignet sich die App auch für andere chronisch Kranke.