Immer schnellere Zulassung, immer kleinere Patientenkohorten: Die Arzneimittelagentur EMA hat große Pläne für neue Arzneistoffe. Mit dem „Adaptive Pathways“-Verfahren erweist die Behörde Patienten einen Bärendienst. Das IQWiG holt jetzt zum Rundumschlag aus.
US-amerikanische Aufsichtsbehörden locken pharmazeutische Hersteller bei Orphan Drugs mit schnellen Zulassungen. Da lässt sich auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA nicht lumpen. Im Rahmen neuer Strategien planen Experten, Arzneimittel stufenweise auf den Markt zu bringen. Bei diesem Verfahren, „Adaptive Pathways“ genannt, werden Zulassungen auf Basis kleinerer klinischer Studien ausgesprochen. Sie gelten nur für ein definiertes Patientenkollektiv. Real World Data (RWD) kommen später mit hinzu. Laut EMA profitieren vom neuen Verfahren kleine, forschende Firmen mit spezialisiertem Forschungsprofil. Jetzt wurde ein Pilotbericht veröffentlicht – und erste kritische Stimmen melden sich zu Wort.
„Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sieht sich durch diesen Bericht in seiner Skepsis gegenüber Adaptive Pathways erneut bestätigt“, heißt es jetzt in einer Mitteilung. „Denn offenkundig haben weder Industrie noch die EMA ein Konzept, wie RWD nach der Zulassung genutzt werden können, um belastbare Aussagen zu Nutzen und Schaden machen zu können.“ Kein Einzelfall: Auch der europäische Verbraucherverband BEUC sieht Risiken für Patienten und spricht von „fehlender Transparenz“ bei der Entwicklung und Umsetzung. Der aktuelle Bericht bildet hier keine Ausnahme.
EMA-Repräsentanten führen zur Rechtfertigung vertrauliche Informationen an – schließlich handele es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beteiligten Unternehmen. Dazu das IQWiG: „Angesichts der Bedeutung des Pilotprojekts für die Arzneimittelentwicklung und der möglichen Konsequenzen derart veränderter Zulassungsverfahren für Patientinnen und Patienten ist die Geheimhaltung der Diskussionsgegenstände und -ergebnisse aber nicht akzeptabel.“
Auch zu RWD, dem vermeintlichen Filetstück der Adaptive Pathways, fehlen fundierte Aussagen. Selbst die EMA äußert sich enttäuscht: In den meisten Fällen seien die Pläne aus der Industrie, wie RWD die Daten von randomisierten kontrollierten Studien ergänzen sollten, vage geblieben. Konzerne hätten keine detaillierten Vorschläge zur Verwendung entsprechender Daten vorbereitet – sei es zur Wirksamkeit oder zu unerwünschten Effekten. Trotzdem bleibt alles beim Alten: „Wenn die EMA die Vorschläge der Industrie für derart dürftig hält, wäre zu erwarten gewesen, dass sie eigene Vorstellungen formuliert, wie RWD nach der Zulassung genutzt werden könnten – doch danach sucht man in ihrem Bericht vergeblich“, kommt als Kritik vom IQWiG. Jetzt ist es an der Zeit, nachzubessern, anstatt – wie von der EMA geplant – weitere Wirkstoffe in Adaptive Pathways-Verfahren aufzunehmen.