Rund 70 Prozent aller autonomen Adenome sind auf Mutationen zurückzuführen. Ob diese ausreichen, um Schilddrüsentumoren krankhaft wachsen zu lassen, untersuchten Forscher an den Exons der Gene. Und sie hatten Glück: Sie fanden zwei Auslöser.
Hormone der Schilddrüse sind an der Steuerung vieler Funktionen des menschlichen Körpers beteiligt. Beim Kind steuern sie etwa die Entwicklung von Gehirn und Nerven sowie das Knochenwachstum. Eine Schilddrüsenüberfunktion kann sich bei Betroffenen daher deutlich bemerkbar machen.
Unbehandelt hat eine Schilddrüsenüberfunktion gravierende Folgen, vor allem eine erhöhte Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Krankheiten. Auslöser einer solchen Überfunktion sind in vielen Fällen Schilddrüsentumore, von denen die überwiegende Zahl gutartig ist. Unter ihnen bildet wiederum das autonome Adenom die Mehrheit. Seine Entstehung ist mittlerweile gut erforscht: „Wir wissen, dass spezielle Mutationen in bestimmten Genen für rund 70 Prozent aller autonomen Adenome verantwortlich sind“, sagt Dr. Davide Calebiro vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Würzburg.
Unbekannt war bislang allerdings, ob diese Mutationen ausreichen, um Schilddrüsenzellen zu krankhaftem Wachstum und übermäßiger Hormonproduktion anzuregen – oder ob es dazu weiterer Faktoren bedarf. Unklar war auch, welche Faktoren an der Entstehung der übrigen 30 Prozent autonomer Adenome beteiligt sind. Bei der Suche nach weiteren Krankheitsursachen wurde ein internationales Team von Wissenschaftlern, unter der Führung von Davide Calebiro und Luca Persani von der Universität Mailand sowie Ralf Paschke von der University of Calgary, jetzt fündig. Daran beteiligt waren außerdem Forscher der Arbeitsgruppe von Professor Martin Fassnacht vom Universitätsklinikum Würzburg sowie das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) der Universität Würzburg.
„Wir haben für unsere Studie insgesamt 19 autonome Adenome mit Hilfe des ‚Whole-Exome-Sequencings‘ untersucht“, beschreibt Calebiro die Vorgehensweise. Mit dieser Technik wird nicht das komplette Erbgut der Zellen untersucht; im Mittelpunkt stehen nur die sogenannten Exons der Gene – also ausschließlich die Abschnitte, die tatsächlich auch in Proteine umgeschrieben werden. Zwischen ein und zwei Prozent beträgt normalerweise der Gesamtanteil der Exone an der DNA. „Dabei konnten wir zeigen, dass ein bedeutender Prozentsatz dieser Adenome eine Mutation in einem Gen trägt, das in die Steuerung der Zellteilung und der Zelldifferenzierung involviert ist“, so Calebiro.
Mutationen des Enhancer of Zeste Homolog 1 Gens (EZH1) stehen in engem Zusammenhang mit bereits bekannten Veränderungen anderer Gene, die ebenfalls für die Entstehung autonomer Adenome verantwortlich sind. Funktionelle Studien zeigen außerdem, dass Mutationen auf dem EZH1-Gen bestimmte Signalwege so verändern, dass sich Zellen der Schilddrüse vermehrt teilen. Eine Mutation in dem EZH1-Gen IST der zweithäufigste genetische Defekt in autonomen Adenomen. © Davice Calebiro / Kerstin Bathon „Wir konnten zeigen, dass eine Hot-Spot-Mutation in dem EZH1-Gen der zweithäufigste genetische Defekt in autonomen Adenomen ist“, fasst Calebiro die Ergebnisse der Arbeit zusammen. Das gehäufte Auftreten zusammen mit anderen Mutationen spricht seiner Meinung nach für ein Two-Hit-Model. Demnach erhöht die erste Mutation die Veranlagung für die Entstehung von Tumoren; die zweite setzt dann den unheilvollen Prozess in Gang. Originalpublikation: Recurrent EZH1 mutations are a second hit in autonomous thyroid adenomas Davide Calebiro et al.; Journal of Clinical Investigation, doi: 10.1172/JCI84894; 2016