Was bedeutet die Liberalisierung des ärztlichen Werberechts für Mediziner? Während früher ein grundsätzliches Werbeverbot galt, handelt es sich nunmehr um ein Werberecht – allerdings in Grenzen. So darf beispielsweise ein Schönheitschirurg nicht mit Vorher-Nachher-Bildern werben.
Jedermann kennt sie – mehr oder weniger ästhetische Vorher-Nachher-Fotos als Beweis für das Gelingen einer zuvor erfolgten Maßnahme welcher Art auch immer. Jetzt beschäftigten sich Gerichte in Koblenz mit solchen Fotos. Ein Schönheitschirurg warb im Internet für seine chirurgischen Fähigkeiten mit Vorher-Nachher-Fotos von seinen Patienten. Das Verfahren endete mit dem Unterliegen des Arztes, er darf solche Fotos im Internet nicht zur Verfügung stellen. Der Arzt – Eigentümer einer Schönheitsklinik – warb auf seiner Homepage im Internet auch mit Bildern seiner Patienten. Diese Bilder zeigten ausdrücklich die besten Ergebnisse des Operateurs, vergleichend vor und nach einem durchgeführten plastisch-chirurgischen Eingriff. Es handelt sich durchweg um rein ästhetische Operationen ohne medizinische Notwendigkeit. Zugriff hatten potentielle Patienten des Arztes auf diese Bilder erst nach vorhergehender Registrierung per E-Mail. Nach Auffassung des beklagten Arztes sei so sichergestellt, dass nur solche Patienten Zugriff auf die Fotos hätten, die sich zuvor bereits eingehend mit dem für sie in Frage kommenden Eingriff auseinander gesetzt hätten. Das Oberlandesgericht in Koblenz wies im Mai diesen Jahres die Berufung des Arztes gegen das zuvor in erster Instanz vom Landgericht Koblenz ausgesprochene Urteil zurück. Der Internetauftritt des Arztes stellt eine unzulässige geschäftliche Handlung dar.
Dieses Urteil ist ein weiteres, das die Grenzen des in den letzten Jahren für die Ärzte erheblich geänderten Rechts im Zusammenhang mit Werbung aufzeigt. Während früher ein grundsätzliches Werbeverbot galt, handelt es sich nunmehr um ein Werberecht. Heute dürfen Ärzte werben, aber Sie müssen die Berufsordnung beachten und sie unterliegen allgemeinen Gesetzen, insbesondere dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) und unlauterem Wettbewerb (UWG). Erst in der Zusammenschau dieser Grundlagen bildet sich die Grenze für erlaubte Werbung ab, die Berufsordnung und die allgemeinen Gesetze zielen hierbei auf jeweils unterschiedliche Aspekte.
So untersagt § 27 Abs. 3 der nordrhein. Berufsordnung den Ärztinnen und Ärzten „berufswidrige“ Werbung. Berufswidrig ist nach der Berufsordnung „insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung.“ Das HWG hat im Rahmen des „Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ große Änderungen erfahren. Vornehmlich wurde im Zuge dieser Gesetzesreform das Arzneimittelgesetz (AMG) geändert. Daher wird diese Gesetzesänderung auch als „16. AMG Novelle“ bezeichnet. Sie trat in Kraft im Oktober 2012. Viele Werbeverbote sind im Zuge der Novelle entweder gänzlich gefallen oder aber deutlich entschärft worden. Verhindern soll das HWG aber immer noch, dass Menschen durch Werbung zu Fehlentscheidungen z. B. beim Arzneimittelgebrauch verleitet werden. Über den reinen Gesetzeswortlaut hinaus, zielt der Schutz des Verbrauchers und der Allgemeinheit nicht nur auf den Gebrauch von Waren (Arzneimitteln), sondern auch auf die Inanspruchnahme von Dienstleistungen.
Das OLG Koblenz verweist in seinem Urteil auf die Gesetzesbegründung der AMG-Novelle, in der explizit die Erstreckung des HWG auf schönheitschirurgische Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit erfolgte. Hierzu sah sich der Gesetzgeber veranlasst wegen der rapide steigenden Zahlen solcher Eingriffe und den mit diesen Eingriffen verbundenen Gesundheitsgefahren. Das UWG schließlich dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Somit unterliegen nicht nur Gewerbetreibende diesem Gesetz, sondern auch freiberuflich tätige Personen.
Für Ärzte von zentraler Bedeutung ist § 11 HWG. In dieser Norm werden in Absatz 1 in den Ziffern 1 bis 15 zahlreiche Werbemethoden benannt, die gegenüber medizinischen Laien nicht verwendet werden dürfen, weil hiermit eine Gefahr für die menschliche Gesundheit verbunden ist. Gerade im Zusammenhang mit Vorher-Nachher-Bildern sticht in diesem Regelungskatalog im ersten Satz des § 11 Abs. 1 HWG die Nr. 5 ins Auge. Sie verbietet Werbung „mit einer bildlichen Darstellung, die in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise Veränderungen des menschlichen Körpers auf Grund von Krankheiten oder Schädigungen oder die Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen Körper oder in Körperteilen verwendet“. Vor der AMG-Novelle war diese Regelung leichter zu verstehen, dort stand zu lesen: Verbot der Werbung „mit bildlicher Darstellung“. Im Zusammenhang mit medizinischen Mitteln, Verfahren oder Dienstleistungen war somit Werbung mit Bildern generell verboten. Heute muss genauer hingeschaut werden: Nunmehr sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HWG für Werbung in medizinischen Belangen nur noch unter den hier beschriebenen Umständen Bilder untersagt.
Spontan denkt der geneigte Leser: Dann ist doch alles gut, denn die von dem Schönheitschirurgen eingestellten Bilder waren weder missbräuchlich noch abstoßend oder irreführend. Doch wer das denkt hat die Wörter „… Veränderungen des menschlichen Körpers auf Grund von Krankheiten oder Schädigungen“ überlesen oder ihnen nicht das richtige Gewicht beigemessen. Denn hieraus folgt: § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HWG ist gar nicht einschlägig. Denn hier wurde gestritten um die Darstellung von Patienten vor und nach der Durchführung von plastisch-chirurgischen Eingriffen ohne medizinische Notwendigkeit. Es ging also eben gar nicht um Veränderungen aufgrund von Krankheit oder Schädigung. Das für den Schönheitschirurgen maßgebliche Verbot findet sich zwar in § 11 HWG, aber an etwas versteckter Stelle. Dieses Verbot ist nicht unter den Ziffern 1 bis 15 gelistet, sondern wurde im Zuge der AMG-Novelle als Satz 3 in Absatz 1 hinten angefügt. Es lautet: „Ferner darf für… operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nicht mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden.“ Also: Für medizinisch nicht notwendige Schönheitsoperationen darf durch Vorher-Nachher-Bilder nicht geworben werden. Im Gegensatz zu der zuvor gefundenen Regelung in Nr. 5 gilt dieses Verbot für alle Vorher-Nachher-Bilder und nicht nur für solche, die in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise etwas darstellen.
Der Arzt wehrte sich vor Gericht aber auch mit der Darlegung, dass es sich in seinem Internetauftritt gar nicht um Werbung handele. Vielmehr wolle er mit seiner Präsentation über die Möglichkeiten und Grenzen der Schönheitschirurgie aufklären. Dem konnte das Gericht aber nicht folgen, es sah zumindest „auch“ werbende Aspekte, weil sich der Arzt neben den Bilder anpries mit den Worten „seit 30 Jahren zu den besten zählend“. Zudem wies er auf unterschiedliche Ärztelisten hin, in denen er als Top-Experte geführt werde. Außerdem hielt ihm das Gericht vor, dass in den zur Verfügung gestellten Bilder ausschließlich die besten Ergebnisse dokumentiert seien. Bilder von weniger oder gar nicht gelungenen plastischen Operationen fehlen hingegen. Auch wenn er auf seiner Homepage keinen Hehl daraus mache, dass er diese Bildauswahl getroffen habe, sei klar, weswegen er nur die besten Fotos anbiete: Er will potentielle Kunden dazu bringen, seine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Das Gericht folgte auch nicht der Auffassung des Arztes, dass sich nur bereits umfangreich informierte und fachärztlich beratene Patienten die Bilder anschauen würden, weil der Zugang zu den Bildern nur durch vorhergehende Registrierung mit einer E-Mail möglich sei. Denn, so das Gericht, jedermann seien die Bilder zugänglich – egal wie informiert er vorab sei. Notwendig sei lediglich die Registrierung unter Angabe einer E-Mail-Adresse.
Bevor Sie als Arzt neue Maßnahmen ergreifen, die Ihnen geeignet scheinen, sich besser auf dem Markt zu präsentieren: Prüfen Sie gründlich oder lassen Sie prüfen, ob diese im Rahmen unserer bestehenden Gesetze auch zulässig sind.