Jahrzehntelang konnten ausschließlich Forscher molekularbiologische Experimente durchführen. Jetzt gibt es für Laien kleine und bezahlbare DNA-Labore zur Vervielfältigung und Analyse von DNA. Sie stoßen auf reges Interesse. Doch es gibt auch Kritiker des „Biohackings“.
Frühe Computer füllten ganze Räume und waren nur für solvente Firmen erschwinglich. Heute bietet allein jedes Smartphone mehr Rechenleistung als die großen Maschinen von damals. Dieser Gedanke ging Philipp Boeing und Bethan Wolfenden nicht aus dem Kopf. Was wäre, wenn man molekularbiologische Technologien nicht nur schrumpfen, sondern für alle Interessierten erschwinglich machen würde? Gesagt, getan.
Die beiden Entwickler schufen ein mobiles DNA-Labor namens Bento Lab. Diese handliche Maschine vereint alle Geräte für die Vervielfältigung und Analyse von DNA auf kleinstem Raum. Boeing und Wolfenden haben Bento Lab, wie sie selbst sagen, vor allem für Verbraucher entwickelt. So kann jeder Laie beispielsweise untersuchen, ob in der Lasagne Pferdefleisch enthalten ist oder ob ein Fischprodukt tatsächlich Lachs enthält. Für die Konstruktion ihres Mini-Labors hatten die Männer reichlich Erfahrung beim „London Hackspace“ gesammelt. Jetzt brauchten sie nur noch Geld. Sie starteten eine Kampagne bei Kickstarter. Innerhalb von nur 36 Stunden machte die Community 50.000 Euro für Bento Lab locker. Schließlich waren 175.000 Euro auf dem Konto – ein mehr als ausreichendes Budget, um ihren Prototypen bis zur Serienreife zu bringen. Bento Lab ist ein Multifunktionsgerät, das aus einer Zentrifuge besteht, um Nukleinsäuren nach der Fällung abzutrennen. Mit dem integrierten Thermocycler gelingt es per Polymerase-Kettenreaktion (PCR), Fragmente zu vervielfältigen. Über die Gelelektrophorese-Kammer lassen sich die Produkte trennen. Das Multifunktionsgerät kann aber noch mehr. Johan Sosa, er ist Informatiker ohne molekularbiologische Ausbildung, arbeitet nur in öffentlichen Labors von Biohackern. Er interessiert sich für Arabidopsis thaliana. In einem anderen Projekt untersucht er, ob sich Casein in Hefen produzieren lässt – als Möglichkeit, langfristig veganen Käse in guter Qualität auf den Markt zu bringen. Gruppen aus Japan versuchen wiederum, gezüchtete Zierpflanzen in den Wildtyp zu transformieren. Kein Wunder, dass Andreas Stürmer, Biohacker aus Dublin, CRISPR/Cas9 als „faszinierendstes Werkzeug, das es je gab“, bewertet. Handelt es sich nur harmlose Experimente einer interessierten Community?
Medien kritisierten, Amateure würden „Gott am Küchentisch“ spielen. Ihre Sorge ist nicht von der Hand zu weisen: Bereits 2014 veröffentlichten Forscher eine Arbeit, in der sie zeigen, dass per CRISPR/Cas9 veränderte Viruspartikel bei Nagern Lungenkrebs auslösen. Eine einzige Inhalation reichte aus. US-amerikanische Ermittler des FBI beobachten das Treiben jetzt mit wachsamem Auge. Sie sehen eine gewisse Nähe zum Bioterrorismus. Konstrukte, die momentan nur in Mäusen wirken, lassen sich theoretisch so modifizieren, dass sie Karzinome beim Menschen auslösen. Die Angst vor hoch kontagiösen Erregern treibt amerikanische Organisationen ebenfalls um. Solche Horrorzenarien hält Todd Kuiken vom Wilson Center, einem US Think Tank, für extrem unwahrscheinlich. Er beruft sich auf hehre Ziele der Community. Seit 2011 existiert – unabhängig von der Methode – ein Verhaltenskodex. Kuiken schreibt, Biohacker würden aber auch hinsichtlich ihrer Möglichkeiten überschätzt. Sein Kollege Dan Wright aus Los Angeles ergänzt: „Ein Gen aus Pflanzen zu entfernen ist bereits Herausforderung genug.“