Wie unterscheiden sich Ethnien oder Geschlechter beim Krebsrisiko? Und welchen Mehrwert haben Ärzte von entsprechenden Informationen? Diese Fragen beantworten Forscher mit langfristig erhobenen Daten von mehr als 1,3 Mio. Krebsfällen aus der Region Los Angeles.
Für ihren jetzt veröffentlichten Report „Cancer in Los Angeles - Trends by Race/Ethnicity“ haben Wissenschaftler mehr als 1,3 Millionen Krebsfälle von 1976 bis 2012 ausgewertet. In der Region leben unterschiedliche Ethnien – eine wahre Fundgrube für Statistiker, um valide Daten zu analysieren. Sie arbeiten mit dem Los Angeles Cancer Surveillance Program (CSP), einer an der Keck School und am USC Norris Comprehensive Cancer Center angesiedelten Datenbank. Pro Jahr kommen 41.000 neue Aufzeichnungen hinzu.
Ihr Fazit: Das Risiko maligner Erkrankungen variiert stark mit der Zugehörigkeit zu Bevölkerungsgruppen, mit dem Geschlecht und dem Alter. Krebsfälle in der Region Los Angeles, 1972 bis 2012. Quelle: University of Southern California Krebsfälle bei unterschiedlichen Ethnien, jeweils pro 100.000 Einwohner, 1972 bis 2012. Quelle: University of Southern California Schwarze Männer haben die höchsten, schwarze Frauen die dritthöchsten Gesamtraten an Krebs. Ärzte finden bei ihnen im Schnitt doppelt so häufig maligne Erkrankungen im Vergleich zu asiatischen Bevölkerungsgruppen. Krebs befällt vorrangig die Prostata, die Bauchspeicheldrüse, die Niere, das Knochenmark, die Speiseröhre und der Kehlkopf. Lediglich beim Melanom schneiden schwarze Amerikaner besser ab, was nicht weiter überrascht. Vom Trend gingen maligne Erkrankungen der Prostata, des Ösophagus und des Larynx eher zurück, während Karziniome der Niere an Bedeutung gewannen. Das höchste Gesamtkrebsrisiko bei Frauen fanden Wissenschaftler unter Hawaiianerinnen beziehungsweise Samoanerinnen. Dazu zählen Brust-, Lungen-, und der Gebärmutterkrebs. Männer innerhalb dieser Ethnie müssen mit dem zweithöchsten Risiko leben, verglichen mit anderen Gruppen. Endometriumkarzinome zeigen zahlenmäßig die stärkste Entwicklung nach oben. Weiße Nicht-Latinos rangieren hinsichtlich ihres Gesamtrisikos auf Rang drei (Männer) beziehungsweise zwei (Frauen). Im Fokus stehen bei ihnen Melanome, Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome, Leukämien, Tumoren der Harnblase, der Eierstöcke, des Gehirns und der Hoden. Melanome werden häufiger, während Ovarialkarzinome seltener auftreten. An vierter Position folgen vietnamesische Frauen und Männer. Onkologen finden bei ihnen besonders häufig Leber- und Zervixkarzinome. Unter allen vietnamesischen Männern nimmt Lungenkrebs die Spitzenposition ein, dicht gefolgt von Darmkrebs. In nächster Zeit könnte sich die Rangfolge umkehren, erwarten Forscher aufgrund ihrer Zahlen. Bei weißen Latinos sind vor allem Hodgkin-Lymphome und Nierenkarzinome von Bedeutung, Tendenz steigend. Leberkrebs, Hodenkrebs und Schildrüsenkrebs nehmen zahlenmäßig zu, während Zervix- oder Prostatakarzinome seltener auftreten. Krebserkrankungen der Lunge, der Bronchien und der Prostata treten bei schwarzen Männern gehäuft auf. Schwarze Frauen leiden häufiger an Zervixkarzinomen. Quelle: University of Southern California Weiße beiderlei Geschlechts erkranken häufiger an Melanomen und Non-Hodgkin-Lymphomen. Quelle: University of Southern California
Sowohl bei schwarzen als auch bei weißen Frauen fanden Onkologen in den letzten Jahrzehnten häufiger Mammakarzinome. Als Erklärung führen die Autoren des Reports vor allem Mammographiescreenings an: Häufig handelt es sich um Carcinoma in situ. Latinas haben einen deutlich schlechteren Zugang zu Untersuchungsprogrammen. Bei ihnen ist das Brustkrebsrisiko generell niedriger, was an traditionellen Lebensgewohnheiten liegen könnte. Alkohol oder Hormonsupplementationen ab der Menopause sind bekannte Risikofaktoren. Frauen mit japanischen oder philippinischen Wurzeln passen sich eher amerikanischen Gepflogenheiten stärker an. Das macht sich auch beim Brustkrebsrisiko bemerkbar. Der drastischste Trend nach oben zeigt sich bei Koreanerinnen. Eine Erklärung bleiben die Forscher aber schuldig. Krebstrends bei weißen Nicht-Latino-Frauen. Quelle: University of Southern California Krebstrends bei Koreanerinnen. Quelle: University of Southern California
Bleibt als Frage: Was bringen diese Zahlen für die Praxis? Im Zeitalter knapper Ressourcen lohnt es sich, Screeningverfahren bei Patienten einzusetzen, die davon am meisten profitieren. Schwarze Männer haben mehr von Tastuntersuchungen oder PSA-Tests als ihre weißen Geschlechtsgenossen. Und bei Koreanern beziehungsweise Japanern sollten Ärzte schneller zum Gastroskop greifen, um Magenkarzinome möglichst früh zu entdecken als bei anderen Ethnien. Menschen mit heller Haut haben mehr von dermatologischen Untersuchungen, Stichwort Melanomrisiko. In Deutschland haben Versicherte ab einem unterschiedlichen Alter Anspruch auf Tastuntersuchungen der Brust, auf Mammographien, Hautkrebs-Screenings oder Prostata-Tastuntersuchungen. Das Problem ist eher, Versicherte zu motivieren. Andere Maßnahmen wie PSA-Tests sind umstritten. Hier liefert die Veröffentlichung auch keine neuen Impulse. Bleibt als Ausblick: Ärzte sollten Ethnien stärker als bislang berücksichtigen. Deutschland ist durch die Flüchtlingsströme ebenfalls zum Einwanderungsland geworden.