In 14 Prozent aller Fälle können Ärzte bei Patientinnen mit frühem Mammakarzinom auf Chemotherapien verzichten. Das zeigen kürzlich veröffentlichte Daten. Ungewiss ist, ob betroffene Frauen diesem Rat auch folgen werden.
„Nur Patientinnen mit frühem Brustkrebs und nachgewiesen niedrigem Rückfallrisiko kann eine Chemotherapie erspart werden“, berichtet die Deutsche Krebsgesellschaft in einem Übersichtsbeitrag. Dies beträfe vor allem Hormonrezeptor-positive, HER2-negative Patientinnen ohne Lymphknotenbefall, bei denen eine rein endokrine Therapie ausreichend ist. „Biomarker- und Gentest können gegebenenfalls zukünftig helfen, diese Patientinnengruppe sicher zu identifizieren", heißt es weiter.
Genau hier setzt ein internationales Team um Fatima Cardoso, Lissabon, jetzt an. Für ihre MINDACT-Studie (Microarray in Node-negative and 1 to 3 Positive Lymph Node Disease May Avoid Chemotherapy) rekrutierten sie 6.693 Frauen mit Mammakarzinom. Als Einschlusskriterium definierten sie den Befall von weniger als drei Lymphknoten. Neben klinischen und pathologischen Parametern erfassten Ärzte per MammaPrint-Test die Expression von 70 Genen, um zu entscheiden, ob eine adjuvante Chemotherapie erforderlich ist. Frauen, bei denen sich die Resultate widersprachen, wurden randomisiert in zwei Gruppen mit beziehungsweise ohne Chemo eingeteilt. Als primären Endpunkt zogen Forscher die Fünf-Jahres-Überlebensrate ohne Fernmetastasen heran.
Wie Cardoso herausfand, erreichten 94,4 Prozent aller Hochrisiko-Patientinnen, bei denen aufgrund von Gentests keine weiteren Behandlungen stattfanden, dieses Ziel. In der Vergleichsgruppe mit Chemotherapie lag der Erfolg bei 95,9 Prozent. Ohne nachfolgende Behandlung war das rezidivfreie Überleben um 2,8 Prozentpunkte und das Gesamtüberleben um 1,4 Prozent geringer. Es darf nicht vergessen werden, dass Chemotherapien langfristig das Risiko bergen, an Leukämien oder Herzinsuffizienzen zu erkranken. Dazu hat Cardoso aber keine Daten erhoben.
Die European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) erwartet aufgrund der aktuellen Veröffentlichung, dass 14 Prozent aller Frauen mit frühem Mammakarzinom keine adjuvante Therapie benötigen. In einem Editorial bewerten Clifford A. Hudis und Maura Dickler, New York, die Ergebnisse als weiteren Schritt, um Brustkrebs-Therapien präziser zu gestalten. Gleichzeitig befürchten sie, viele Patientinnen würden sich angesichts der geringfügig besseren Chancen doch für die Chemotherapie entscheiden.