70.000 Euro Jahresgehalt, 35 Wochenstunden – mit diesen Bonbons hat ein Inhaber erfolglos Filialleiter gesucht. Ähnlich dramatisch ist die Lage bei PTA und PKA. Die Branche gerät mehr und mehr an ihre Grenzen. Lösungen sind möglich, aber schmerzhaft.
Trotz seines lukrativen Angebots fand ein Inhaber aus dem westfälischen Gronau zunächst niemanden, der seine Filiale leiten wollte. Zum Vergleich: Das Tarifgehalt liegt für Approbierte bei maximal 48.000 Euro. Zuschläge für leitende Angestellte kommen noch on top. Trotzdem gelingt es immer seltener, vakante Positionen zu besetzen. Das zeigen aktuelle Studien.
Jetzt hat das Institut für Handelsforschung (IFH) aus Köln rund 220 Apothekenleiter nach ihren Erfahrungen befragt. Sie haben meist PTA (45 Prozent), Approbierte (24 Prozent) und PKA (21 Prozent) angestellt. Rund 41 Prozent arbeiten in Vollzeit. Bei Approbierten waren zuletzt 36 Prozent in Vollzeit tätig, bei PTA 38 Prozent und bei PKA 39 Prozent. In zwei von drei Apotheken gestaltet sich insbesondere die Suche nach Vollzeitkräften schwierig. Probleme treten auf, weil zu wenige Bewerber bereit sind, tagtäglich zu arbeiten (67 Prozent Zustimmung) oder weil geeignete Kandidaten generell fehlen (64 Prozent Zustimmung). Besonders dramatisch ist die Lage bei pharmazeutischem Personal. Etwa 87 Prozent aller Chefs erwarten, dass sich die Situation generell verschlimmern wird.
Was steckt dahinter? Markforscher identifizierten zwei große Themen. Nachdem sich gleich mehrere Bundesländer aus der Förderung von PTA-Fachschulen zurückgezogen haben, steht die Finanzierung auf tönernen Füßen. „Wären Sie bereit, die PTA-Ausbildung beziehungsweise die PTA-Schulen monatlich finanziell zu unterstützen?“, wollte das IFH wissen. Rund 56 Prozent lehnten jegliche Bezuschussung ab. Mit weniger als 50 Euro würden sich 11,9 Prozent beteiligen. Und 21,9 Prozent könnten sich vorstellen, genau 50 Euro lockerzumachen. Bei 100 Euro waren es nur noch 6,5 Prozent, bei 200 Euro 3,0 Prozent und bei höheren Summen 1,0 Prozent. Es geht aber nicht nur um rein materielle Dinge. Apotheken bilden kaum noch PKA aus. Bereits 2014 ergab eine IFH-Befragung, dass sich immer weniger Jugendliche bewerben (63 Prozent Zustimmung) und die Qualität der Bewerber stetig abnimmt (69 Prozent Zustimmung). Jetzt liegen neue Zahlen vor: 75 Prozent gaben an, zumindest früher PKA ausgebildet zu haben, aber aktuell nicht mehr. Rund 19 Prozent finden keine geeigneten Jugendlichen. Immerhin planen 22 Prozent, in Zukunft wieder aktiv zu werden.
Mit der Akquise ist es aber nicht getan. Genauso wichtig ist, gutes Personal an die Apotheke zu binden. Dazu ein paar Zahlen: PTA erhalten ein tarifliches Einstiegsgehalt von 1.968 Euro, und bei PKA sind es 1.710 Euro. Einer aktuellen Umfrage von ADEXA zufolge erhalten 70 Prozent aller Angestellten in Sachsen einen Lohn unter Tarif. Seit Jahren haben Tarifverträge im Kammerbezirk keine Gültigkeit, da sächsische Inhaber aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten sind. Wer vom mageren Salär den eigenen Haushalt führen muss, hat wenig zu lachen. Bleibt nur, nebenbei zu kellnern, noch bei den Eltern oder in einer WG zu wohnen. Wenig überraschend, dass sich im Job keine große Motivation einstellen wird. Laut Schätzungen des Bundesverbands PTA (BVpta) kehrt jede zweite PTA öffentlichen Apotheken nach fünf Jahren den Rücken, um in anderen Branchen zu arbeiten, ein besseres Salär inklusive. Pharmazeutische Hersteller zahlen deutlich besser, während öffentliche Institutionen mit geregelten Arbeitszeiten locken. Zu PKA gibt es keine Zahlen, aber ähnliche Beispiele. Und approbierte Filialleiter sehen ihre Anstellung oft als Vorbereitung auf die eigene Apotheke. Kaum haben sie ihre Stelle angetreten, sind sie weg.
Immer wieder veröffentlichen Forscher neue Studien, um herauszufinden, welche Faktoren Angestellte wirklich schätzen. Zuletzt erschien der „Job Happiness Index 2016“. An erster Stelle rangiert die Work-Life-Balance, danach das Verhalten von Vorgesetzten, die Kultur, Entwicklungsmöglichkeiten und auf Platz fünf das Gehalt. Bei PTA oder PKA darf man den Wert solcher Untersuchungen stark bezweifeln. „Geld ist unwichtig, solange das Gehalt stimmt“, schreibt der Coach Dr. Bernd Slaghuis. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS): Wie bewerten Firmen unterschiedliche Maßnahmen, um Angestellte zu binden? 1 bedeutet „unwichtig“, 5 „sehr wichtig“. Quelle: BMAS Die Empfehlung lautet, unterschiedliche Maßnahmen individuell zu kombinieren, um den maximalen Erfolg zu erzielen: ein übertarifliches Gehalt, Zuschüsse zu Fahrtkosten oder zum Kindergarten, ein kleines Geburtstagsgeschenk oder auch mal ein zinsloser Kredit, falls Angestellte in einer Notlage sind. Gerade junge Eltern freuen sich über Teilzeitangebote oder über flexiblere Modelle beispielsweise ohne Arbeit am Samstag, wenn die Kita geschlossen hat. Filialleiter sollten noch stärker über erfolgsabhängige Prämien gebunden werden – vorausgesetzt, sie haben überhaupt Handlungsspielraum, um die Apotheke voranzubringen. Auch bei anderen Kollegen lohnt es sich, gezielt Prämien zu vergeben. Zur Umsetzung bieten sich Mitarbeitergespräche und Zielvereinbarungen an. Für kleine Apotheken ist es hart, die Modelle umzusetzen. Ihnen bleiben kaum Alternativen. Das haben die letzten Monate gezeigt.