BEST OF BLOGS | Ferien – endlich Zeit für die Familie, Camping, Sonne und … Patienten? Wir hatten gerade unseren Wohnwagen bezogen, als mir ein anderes Auto auffiel, das aus unserer Gegend kam. Der Besitzer war ein Patient von mir. Mein erster Gedanke: Der Urlaub ist gelaufen.
Kaum auf dem Campinplatz angekommen, wurde mir klar, dass unser lang ersehnter Familienurlaub wahrscheinlich unter Beobachtung von Patienten stattfinden würde. Das Problem: Bei der Größe unserer Praxis war die Chance extrem groß, dass es sich bei dem Besitzer des Autos um Patienten von mir handelte. Und so war es dann auch. Drei Wohnwagen weiter wohnte ein Patient mit seiner Frau und seinen zwei Kindern.
Mir schossen spontan verschiedene Gedanken durch den Kopf. Von „Wird schon nicht so schlimm sein“ bis „Och nö, der Urlaub ist gelaufen“.
Ich hatte schon mehrfach mit Kollegen darüber diskutiert, wie man sich als Arzt in der Freizeit verhalten soll. Nun also mein erster Feldversuch beim lang ersehnten Jahresurlaub. Bisher konnte ich bei Diskussionen dieser Art vor allem drei Positionen unter den Ärzten ausmachen:
Mit jeder dieser Positionen habe ich so meine Probleme: Position 1 ist für mich als Mutter von drei Kindern nicht praktikabel. Die lange Anfahrt würde bedeuten, dass ich meine Familie noch weniger sehe. Außerdem gefällt es mir einfach, hier zu wohnen.
Was mich an den Positionen 1 und 2 auch stört, ist der Unterton des Standesdünkels. Es geht nicht um Medizin an sich, sondern um die „gehobene gesellschaftliche Position“. Das finde ich schwierig, weil wir uns als Ärzte damit auch von vielen unserer Patienten abgrenzen, „wir da oben, die da unten“. Das ist für mich mit der gleichzeitig geforderten Wertschätzung des Patienten nicht in Einklang zu bringen.
Position 3 ist für mich insofern schwierig, weil ich mich damit schnell selbst unglaubwürdig mache. Generell ist es natürlich so, dass ich als Arzt auch das Recht auf Privatsphäre habe, aber ich muss mir meiner Meinung nach schon überlegen, ob mein Verhalten dem entspricht, was ich meinen Patienten rate.
Deswegen hier meine Position.
Position 4: Gesundheit ist wichtig, Familie auchNatürlich bin ich immer Arzt und deswegen sollte man noch ein bisschen mehr drauf achten, gewisse offensichtlich gesundheitsschädliche Verhaltensweisen zu vermeiden. Man sollte sich zum Beispiel nicht bis zur Besinnungslosigkeit besaufen oder rauchen. Auf derartiges Verhalten zu verzichten, finde ich aber auch nicht wirklich schwierig, weil ich da hinterstehen kann.
Ansonsten bin ich aber nicht nur Ärztin, sondern auch Privatmensch und Mutter. Wenn einer meiner Patienten damit nicht leben kann, dass er mich auch mal in alten Klamotten im Garten Unkraut jäten sieht oder bei der Wasserschlacht mit den Kindern oder sich daran stört, dass ich gern Metal höre, dann muss er sich leider einen anderen Hausarzt suchen. Alle diese Dinge fallen für mich nämlich nicht in die Kategorie „Medizinisch nicht zu verantworten“, sondern laufen allenfalls unter dem Label „Wird nicht als standesgemäß empfunden“.
An dieser Stelle finde ich die Rechte meiner Familie wichtig: Der Arztberuf, so schön er auch ist, verlangt nicht nur dem Arzt, sondern auch seiner Familie oft sehr viel ab, sowohl zeitlich als auch emotional. Da muss es unbedingt möglich sein, in der restlichen Zeit wirklich für die Familie da zu sein oder etwas für sich machen zu können – und zwar ohne die ganze Zeit auch noch darüber nachdenken zu müssen, wie das vielleicht für Außenstehende rüberkommen könnte.
Authentisch bleiben
Deswegen hab ich dann auch versucht, im Urlaub so authentisch wie möglich für meine Familie zu bleiben. Auch wenn ich zugebe, dass mir der Gedanke „kann man das so machen“ häufiger gekommen ist, als mir lieb war. Und ja, als mein Jüngster morgens „gaaaanz dringend“ zum Klohaus musste und ich noch im Schlafanzug war, kam mir auch kurz der Gedanke, was passieren würde, wenn ich in dieser Situation auf meinen Patienten treffe. Was natürlich auch prompt passierte.
Und so kann ich auch direkt mit einer Antwort auf die Frage dienen: „Es passiert gar nichts. Man nickt sich genauso zu, wie man allen anderen Campern morgens zunickt, wenn alle noch ziemlich verschlafen im Schlafanzug zum Klohaus schlurfen.
Eigentlich möchte jeder seine Ruhe
Somit war der Urlaub, vor allem nachdem ich mich an die Vorstellung gewöhnt hatte, ziemlich entspannt. Im Endeffekt ist die Antwort auf die Frage „Wie gehe ich im Urlaub mit Patienten um?“ wohl ganz einfach: Genauso wie wir in Ruhe Urlaub machen wollen, wollen das die Patienten auch.
Also für alle, denen dasselbe passiert, einfach ans Kölner Motto „Levve un levve losse“ halten und den Urlaub genießen. Den haben sich nämlich alle mal verdient. P.S.: Ich scheine nicht die Einzige gewesen zu sein, die diesen positiven Eindruck hatte: Auch der Patient wirkte im Verlauf zunehmend entspannter und unsere Kinder haben sich auch nach den Ferien schon verabredet.
Bildquelle: Xue Guangjian, pexels