Im „Guardian“ liefern sich akademische Befürworter und Gegner von Social Media einen Schlagabtausch. Durch neue Medien wird die Forschung transparenter und die Elfenbeintürme bröckeln – erschreckende Gedanken für so manchen Wissenschaftler.
Schnell noch per Twitter auf die neue Veröffentlichung hinweisen, Eindrücke vom Kongress auf Facebook posten oder das schöne Bild aus dem Fluoreszenzmikroskop bei Instagram veröffentlichen? Wissenschaftler nutzen immer häufiger Social Media. Das gefällt einem Kommentator des „Guardian“ überhaupt nicht. Seinen Artikel veröffentlicht er anonym, vielleicht aus Angst vor dem berüchtigten Shitstorm.
Er spricht aus der Perspektive des jungen Doktoranden, nicht des greisen Emeritus, der sich an vermeintlich bessere Zeiten erinnert. Immer häufiger würden Kollegen live von Veranstaltungen twittern oder „hashtagen“, heißt es im Artikel. Eigentlich verdiene der Referent die volle Aufmerksamkeit – er habe sich Stunden oder Tage auf seinen Vortrag vorbereitet. Der Autor bezweifelt, dass es enthusiastischen Smartphone-Usern tatsächlich darum geht, ihre Eindrücke mit der Welt zu teilen. Vielmehr wünschen sie sich gute Profile bei Social Media, sollten potenzielle Arbeitgeber nach verwertbaren Spuren im Netz suchen. Wer mit diversen Konferenzbesuchen aufwartet, hat womöglich bessere Karten. Sein Fazit: „Ich will mich nicht – und ich sollte mich nicht – im Netz präsentieren, um meinen Arbeitgeber zu beglücken oder um zu zeigen, dass ich ein guter Forscher bin.“ Er rät, den Enthusiasmus besser in Drittmittelanträge zu stecken.
Sein Beitrag blieb nicht lange unkommentiert. Dean Burnett meldete sich mit einem Plädoyer für Social Media zu Wort. Er ist kein junger Doktorand, kein erfahrener Professor, sondern ein Journalist, der Wissen verbreitet. Für ihn sind Twitter, Facebook & Co. mehr als „Cat Content“. Mussten Interessierte früher vor einem akademischen Poster stehen, um am Puls der Forschung zu sein, geht heute ein Foto des Abstracts per Tastendruck um die Welt. „Gelingt es Ihnen sogar, der Präsentation zu folgen und etwas zu twittern, sind Sie vielleicht tatsächlich ein Akademiker oder so etwas Ähnliches“, meint Burnett. Der größte Pluspunkt: Plötzlich haben alle Menschen Teil am Wissen – auch diejenigen, die es finanzieren, sprich die Steuerzahler. Manche Wissenschaftler tun sich leichter, online zu kommunizieren, andere haben ihre Stärken im persönlichen Gespräch. Und wenn sie sich dann – oh Schreck – noch zu sachfremden Themen wie dem Brexit äußern, ist das ihr gutes Recht. Sie leisten einen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion. Jetzt schnell ab zu Twitter! Forscher versehen neuerdings nicht ganz ernst gemeinte Tweets mit dem Hashtag #seriousacademic.