Wenn erst jenseits des 20. Lebensjahres gegen Humane Papilloma Viren (HPV) geimpft wird, fehlt eine signifikante Schutzwirkung, so berichten US-Forscher in einer aktuellen Publikation. Deshalb wird in Europa für einen wesentlich früheren Beginn der 3-fach-Impfserie plädiert. Die Studie offenbart damit aber auch systematische Lücken.
Der Schutzeffekt selbst bei Impfbeginn mit 14 Jahren fällt deutlich geringer aus, als von Infektiologie-Experten gedacht und behauptet.
Die US-Studie aus Kalifornien Im Rahmen einer Fallkontrollstudie wurden die Versicherungsdaten der "Kaiser-Permanente" im Bundesstaat California/USA bei mehr als 25.000 geimpften und nichtgeimpften Frauen zur Wirksamkeit der HPV-Impfung analysiert. Bei 4.357 wurden hochgradige zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN 2+ oder 3+) als Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert. "Effectiveness of catch-up human papillomavirus vaccination on incident cervical neoplasia in a US health-care setting: a population-based case-control study" von Michael J. Silverberg et al. https://www.thelancet.com/journals/lanchi/article/PIIS2352-4642(18)30220-7/fulltext
Fakten-Check mit dem DKFZ "Im Sommer 2015 wurde in der EU Gardasil® 9 zugelassen. Dieser Impfstoff soll gegen insgesamt neun HPV-Typen wirken. Der Impfstoff hat 2017 das bisherige Gardasil-Präparat abgelöst, das sich gegen vier Papillomviren richtete. Derzeit sind in Deutschland zwei verschiedene HPV-Impfstoffe auf dem Markt: Cervarix® und Gardasil® 9. Beide beugen einer Infektion mit den Hochrisikotypen HPV 16 und HPV 18 vor. Gardasil® 9 wirkt gegen insgesamt neun HPV-Typen. Bis Juli 2017 war außerdem der Vierfachimpfstoff Gardasil® verfügbar, er wurde durch Gardasil® 9 abgelöst. In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die HPV-Impfung für Mädchen zwischen 9 und 14 Jahren. Sie folgt damit der Impfempfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO: Je früher geimpft wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Mädchen noch nicht mit den Viren infiziert hat. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Noch nicht geimpfte Mädchen können die Impfung bis zum Tag vor ihrem 18. Geburtstag nachholen" ...
"Nur noch zweimal impfen? Bis vor kurzem musste die HPV-Impfung dreimal gegeben werden, um eine möglichst vollständigen Impfschutz zu erzielen. Dies hat sich inzwischen geändert: Den Impfstoff erhalten Mädchen und Jungen bis 14 Jahre heute in nur zwei Einzelimpfungen im Abstand von sechs Monaten. Ab dem Alter von 15 Jahren und bei einem zu kurzen Impfabstand sind aber weiterhin drei Einzelimpfungen vorgesehen." Quelle: http://www.krebsinformationsdienst.de/vorbeugung/risiken/hpv-impfung.php © 2018 Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum
Optimale HPV-3-fach-Impfung hinterlässt CIN-Erkrankungsrisiko! Die Interpretation der US-Studie bewegt sich noch immer auf relativ unsicherem Terrain: "Interpretation - Catch-up quadrivalent HPV vaccination with three doses was effective against CIN2+ and CIN3+ in girls and women aged 14–20 years at time of first vaccine dose but not for women aged 21 years and older at first dose." Die HPV-Erstimpfung sollte grundsätzlich besser spätestens ab dem 14. Lebensjahr starten, da der Schutzeffekt bei HPV-Erstimpfung mit 21 Jahren oder später nicht mehr effektiv ist.
Nicht "highly effective", sondern nur "effective"? Die Autoren/-innen schreiben selbst nicht von "highly effective" sondern nur von "effective". Sie stellten 4.357 inzidente Fälle von zervikaler intraepithelialer Neoplasie (CIN)2+ den 21.773 Kontrollen gegenüber. Davon waren 1.849 CIN3+ Fälle gegenüber den 9.242 vergleichbaren Kontroll-Fällen ohne CIN beobachtet worden ["4357 incident CIN2+ cases and 21773 matched controls were included in the study. Of these, 1849 were incident CIN3+ cases with 9242 matched controls"]. Das jüngste Erstimpfungs-Alter war 14 Jahre. Der Impfschutz von einer oder mehreren HPV-Impfungen erwies ein signifikant reduziertes relatives Risiko (RR) für CIN 2+ von 0,82 und für CIN3+ von 0,77. Der stärkste Schutz wurde mit der 3-maligen Impfung und dem Beginn der Impfserie zwischen 14 und 17 Jahren mit einem relativen Risiko von 0,52 erreicht. Der Impfbeginn zwischen 18 und 20 Jahren erhöhte wiederum das relative Risiko auf 0,65. Für Frauen mit Erstimpfungsalter von 21 und mehr Jahren konnte das relative Risiko mit 0,94 nicht signifikant verringert werden. "The youngest age at time of first vaccination was 14 years. One or more HPV vaccine doses conferred protection against CIN2+ (RR 0.82, 95% CI 0.73–0.93) and CIN3+ (0.77, 0.64–0.94). We found the strongest protection against CIN2+ in women who had received at least three vaccine doses and had received their first dose aged 14–17 years (0.52, 0.36–0.74) or aged 18–20 years (0.65, 0.49–0.88). No significant protection was found in women aged 21 years or older at time of first dose (0.94, 0.81–1.09). Inferences were similar for CIN3+, but with stronger effects for women who received at least three vaccine doses and had received their first dose aged 14–17 years (0.27, 0.13–0.56) or aged 18–20 years (0.59, 0.36–0.97)." Am stärksten verringerte sich das relative Risiko bei CIN3+ auf 0,27 bzw. 0,59 je nach Erstimpfungs-Alter. Doch Vorsicht! Die relative Risikoreduktion beträgt günstigstenfalls 73% weniger zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN) im CIN2+ oder CIN3+ Stadium. Dies bedeutet ein immer noch erhebliches Erkrankungsrisiko trotz optimaler und frühzeitiger quadrivalenter HPV-3-fach-Impfung
Was die US-Studie nicht überprüfen konnte, waren
1. Der weiterentwickelte Gardasil-9-Impfstoff.
2. Erreichbare Verbesserungen von Schutzeffekten durch Impfbeginn ab 9 Jahren (WHO/STIKO).
3. Einbeziehung der jungen Männer in das modifizierte, früher beginnende Impfregime.
Wenn die relativen Risikoreduktionen (RRR) allerdings bei unvollständigen Impfprotokollen derart schlecht abschneiden, sehe ich für auf junge Männer erweiterte HPV-Impfempfehlungen keine positiven Prognosen.
Vgl. dazu
http://news.doccheck.com/de/214839/hpv-impfung-wer-knackt-das-jungs-problem/
von Michael van den Heuvel