Mitte August 2015 hat die FDA Flibanserin (Addyi) zugelassen. Zwölf Monate später macht sich Enttäuschung breit: Der Verkauf liegt weit hinter den Erwartungen zurück – und das National Women's Health Network kritisiert fehlende Effekte.
Flibanserin ist der erste Wirkstoff zur Behandlung sexueller Dysfunktionen bei Frauen. Schon die Zulassung war mit etlichen Hürden verbunden. Experten der US Food and Drug Administration brauchten drei Anläufe, bis sie schließlich grünes Licht gaben. In ihrer Pressemitteilung weisen sie auf etliche Nebenwirkungen hin. Mit ihrer Einschätzung sind sie nicht allein.
Loes Jaspers aus Rotterdam veröffentlichte im April 2016 weitere Daten von 5.914 Frauen. Die vermeintliche Lustpille führte lediglich in einem Zeitraum von zwei Monaten zu einer weiteren befriedigenden sexuellen Erfahrung, schreibt Jaspers. Grund genug für die Autoren, von „minimalen Veränderungen“ zu sprechen. Dafür zahlten Patientinnen einen hohen Preis. Sie litten an Schwindel, Übelkeit, Erschöpfung und Schläfrigkeit.
Pünktlich zum Jahrestag der Zulassung meldete sich das National Women’s Health Network zu Wort. „Klinische Studien zeigen mittlerweile, dass neun von zehn Frauen keine Verbesserung ihres sexuellen Verlangens spüren“, heißt es im Report. Experten kritisieren, dass weitere erforderliche Studien ausgeblieben sind. Sie stören sich auch an fehlenden Fakten über Komplikationen. So hätte eine Untersuchung zum gleichzeitigen Alkoholkonsum bei Männern Hinweise auf schwere Wechselwirkungen gezeigt. Antibiotika oder Antimykotika, wie sie bei zahlreichen Infektionen verordnet werden, erhöhen den Flibanserin-Spiegel ebenfalls.
Kein Wunder, dass viele Frauen auf die vermeintliche Wunderpille lieber verzichten. Das mag auch am hohen Preis von mehr als 850 US-Dollar pro Monat liegen – das Pharmakon muss täglich eingenommen werden. Versicherungen leisten unterschiedlich hohe Zuzahlungen. Valeant zahlt als Hersteller Zeche. Der kanadische Konzern hatte Sprout als Entwickler von Flibanserin für eine Milliarde US-Dollar erworben. Jetzt schwimmen Vorständen die Felle davon. Nach mehr als zögerlichem Umsatzwachstum verschrieben Ärzte im März 2016 Addyi rund 1.500 Mal. Im Mai waren es nur noch 1.000 Rezepte. Laut Bloomberg hat Ex-Valeant-Vorstandschef Mike Pearson kritisiert, die Umsätze hätten nicht den Erwartungen entsprochen. Zum Vergleich: Bei Viagra® waren es zu Beginn 500.000 Verordnungen pro Monat.