Vergangene Woche hatte die DocCheck Redaktion eine Umfrage zum Thema Kodierberatung gestartet. Wir wollten wissen: Hatten auch Sie schon Besuch von Vertretern der Krankenkasse? Die Mehrzahl der Ärzte kennt das Problem. Und viele berichteten uns von ihren Erfahrungen.
„1 x pro Quartal kam ein Mitarbeiter der AOK mit einer Liste von Patienten, bei denen die Kodierung zur Intensität und zu den Kosten der Medikation nicht unbedingt passten“, schreibt ein Leser. „Ich muss sagen, dass das meist auch so war. Bei der Gelegenheit wurde natürlich auch dafür geworben, Diagnosen mit der Endziffer 9 möglichst zu meiden, da es hierfür am wenigsten Geld gibt. Aber eigentlich können die Kassen ja für dieses idiotische Vergütungssystem nichts.“ Jede ärztliche Diagnose wird mit dem ICD-Schlüssel klassifiziert. Und hinter jedem ICD-Code steht eine Summe. Die Codes sind die Berechnungsgrundlage für die Leistungsvergütung und damit ein wichtiges Instrument. Die ersten drei Stellen des Codes kodieren eine grobe Diagnose, die vierte und fünfte Stelle dienen der weiteren Verfeinerung. Die letzte Ziffer kodiert zum Beispiel bei einigen Erkrankungen die genaue Lokalisation. Nun können kleinste Änderungen im Code zu großen Änderungen bei der Abrechnung führen. Das machen sich Krankenkassen teilweise zunutze und bieten Ärzten sogenannte Kodierberatungen an. Sie erhoffen sich, durch veränderte Diagnosen, mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich (RSA) abzuzwacken. Dies sorgt bei vielen Ärzten für Unmut. Aus diesem Grund hatte die DocCheck Redaktion gefragt: Wurde Ihnen schon eine Kodierberatung angeboten? „Ich wurde gebeten, Dauerdiagnosen bei bestimmten Patienten nachzutragen, hatte dafür aber leider keine Zeit“, beschreibt ein Arzt das Vorgehen der Krankenkassenvertreter. Ein anderer Arzt scheint sich über die Kodierberatungen sehr zu ärgern: „Eine Kodierberatung wurde mir nur von der AOK angeboten, damit die Versicherung mehr Geld bekommt!!!!!!!! Zum K.........“
Ausführlicher beschreibt es dieser Leser: „Wir bekommen regelmäßig Anfragen von der AOK mit der Bitte, unsere Diagnosen zu ändern. Außerdem wollen sie unbedingt Diagnosen, die mit „Sonstige“ enden (=letzte Stelle der ICD 9), geändert haben, um selbst mehr Geld zu bekommen.“ Und auch dieser Arzt bekam Besuch von der AOK Nordwest: „Mir wurde Geld angeboten, 3 Euro je Patient und Quartal. Die Versicherung möchte eine erneute Kodierung von einem Patienten im 3. Quartal mit chronischen Diagnosen, die im 2. Quartal 2015 chronisch waren, aber im 3. nicht mehr aufgeführt wurden.“ Des Weiteren schreibt er von Anfragen, „ob es sich bei den Patienten um chroninsche Schmerzpatienten handelt, da bestimmte Indikatoren darauf hindeuten. Bei R52.2/F45.41 extrabudgetäre Vergütung von 3 Euro. Ca. 200 Patienten wurden aufgelistet und uns zugesandt. Das wären dann 615 Silberlinge.“ Ergebnisse der Umfrage aus der DocCheck News Redaktion
In den Statements der Ärzte wurden immer wieder die DAK und vor allem die AOK Nordwest genannt. Daher haben wir beide Krankenkassen angeschrieben und von unserer Umfrage und den vielen Fallbeispielen berichtet. Wir informierten sie darüber, dass wir einen Artikel mit den Ergebnissen verfassen werden und baten um eine Stellungnahme. Von der DAK erhielten wir keine Antwort. Doch von der Pressestelle der AOK Nordwest kam eine Mail. Es ist eine sogenannte Stellungnahme der Krankenkasse – ohne wirklich Stellung zu beziehen: „Die AOK Nordwest pflegt seit Jahren engen Kontakt zu ihren zahlreichen Leistungsanbietern. In diesem Zusammenhang bietet sie auch einen internen Arztpartnerservice für Belange der niedergelassenen Arztpraxen (...) an. Die Mitarbeiter beraten telefonisch und persönlich unter anderem zu Fragen zur Durchführung von Disease-Management-Programmen (DMP), leistungsrechtlichen Themen, Informationen zum Anwendungsbereich von Arzneimitteln sowie zur medizinisch korrekten Dokumentation von Krankheiten. Dieser Kontakt hat sich über die Jahre bewährt und vereinfacht die partnerschaftliche Zusammenarbeit für beide Seiten“, schreibt Andrea Gahrens, Pressereferentin für die AOK Nordwest.
Das Bundesversicherungsamt (BVA) hat derweil die Praxis einzelner Krankenkassen gerügt, Vertragsärzte dazu zu bewegen, Diagnosedaten nachträglich zu ändern. Und schon im vergangenen Jahr hatte das BVA zum Thema Kodierberatung Stellung bezogen: Vertragsärzte haben das Recht, eine sogenannte Kodierberatung abzulehnen. Die Kodierberatung niedergelassener Ärzte ziele auf eine Verbesserung der Kodierqualität – im Sinne der Krankenkasse. Gleichwohl dürfe damit keinerlei Einfluss auf Diagnosestellung und Therapieentscheidung des behandelnden Arztes verbunden sein.