Der fünfte Teil der Kurzgeschichte 'Der kleine Ery' ist online! Eine Operation ist kein Kinderspiel. Weder für Geist noch für Körper. Doch wie erlebt unser Körper solch einen unvorbereiteten Eingriff? Folgen Sie dem kleinen Ery auf seiner Reise! Der letzte Teil einer bezaubernden Kurzgeschichte, die zu einem kleinen Schmunzeln zwischen all den ernsten Problemberichten führen soll.
„Los weiter! Nicht stehen bleiben!“
Der kleine Ery wurde unsanft nach vorne gestoßen und verlor damit das Bild der Konferenz aus seinen Augen. Konzentriert dachte er über die Worte des Gehirns nach und eine Welle von Trauer übermannte ihn, als er an den großen Verlust seiner Freunde dachte. Schon bald würden viele, neue Erys durch die Blutbahnen huschen, um ihren geliebten Menschen mit dem lebenswichtigen Sauerstoff und damit auch der Energie zu versorgen, die er brauchte, um schnellstmöglich wieder auf die Beine zu kommen. Wie ein Blitz schoss ihm plötzlich ein Gedanke durch den Kopf! Hierbei konnte auch er helfen! Er konnte den neuen Erys bei ihren Aufgaben helfen, zeigen, wie sie noch schneller und effektiver arbeiten könnten. Damit würde auch er etwas dazu beitragen, dass es dem Körper, in dem sie alle lebten, schnell wieder besser ging. Entschlossen und glücklich arbeitete der kleine Ery seitdem härter als je zuvor.
Wochen vergingen und noch immer verfolgte der kleine Ery konsequent sein Ziel. Er hatte nun regelmäßig viele Gruppen jüngerer Erythrozyten, die ihm folgten und von ihm lernten. Doch er merkte, wie er allmählich schwächer wurde. Er war nicht mehr so elastisch. Es fiel ihm zunehmend schwerer durch die engen Kapillarnetze zu huschen. Eines Tages, als er nach dem Sprung in die Aorta den zweiten Ausgang wählte, erhaschte er zufällig wieder einen Blick in den Konferenzraum. Doch diesmal sah er durchweg glückliche Gesichter. Nicht einmal die Leber grummelte. Hand in Hand mit der Niere lachte sie herzlich. Die Organe feierten!
„Ihr habt alle gute Arbeit geleistet! Die Wunde ist verheilt und die Muskeln sind kräftiger denn je! Alle Besucher sind weg und unser Mensch kann sich endlich wieder an den schönen Seiten des Lebens erfreuen! Wir haben es geschafft!“, verkündete das Gehirn freudig.
„Ha, die schönen Seiten des Lebens, die kennen wir, Niere, nicht wahr? Hätte nicht gedacht, dass ich mich über den Einsatz der Alkoholdehydrogenase wieder so freuen würde!“, lallte die Leber, während sie mit der Niere auf der einen Seite, mit dem Magen auf der anderen Seite schunkelte.
Diesmal musste der kleine Ery nicht voran geschubst werden. Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht setzte er seinen Weg weiter fort. Er ließ sich von der Vena cava aus durch das Herz und die Lunge führen, dann blieb er im Aortenbogen und rutschte hinab unter das Zwerchfell. Am Truncus nahm er schlussendlich die Abzweigung in die A. lienalis. Seine Zeit war gekommen. Er hatte viel erlebt, viel gearbeitet und er hatte dabei gute Arbeit geleistet. Nun konnte er mit einem glücklichen Gefühl den weiteren Aufbau seinen Nachfolgern überlassen. Und er wusste, sie würden es gut machen und dem Körper, der ihm für 120 Tage ein Zuhause geboten hatte, würde es wieder gut gehen. Denn sie waren alle ein gutes Team. Und von Erzählungen wusste er, dieser Körper, dieser Mensch mit seiner Willenskraft und seiner Disziplin, hatte schon so vieles andere geschafft.