Es ist passiert. Nach fast zweieinhalb Jahren habe ich den ersten zugewiesenen Patienten der Terminservicestelle. Ja, ich gebe zu, dass es etwas wehtat. Ich hatte diese gesetzlich installierte Institution schon fast vergessen. Da holte mich die Wirklichkeit ein.
Unmittelbar nach Beendigung der Sprechstunde am Freitag fuhr ich mit meiner Familie über das Wochenende zu meinen Schwiegereltern aufs Land. Wieder einmal hatte ich mir vorgenommen, mich vom Alltag zu lösen und zu entspannen. Kein Internet, keine Emails.
Beinahe hätte ich es auch geschafft. Aber als mir mein Schwager ein lustiges Video schickte, griff ich zum Handy und landete doch in meinem Email-Account. Und da stand sie: die Nachricht der Terminservicestelle (TSS) meiner Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Natürlich konnte ich nicht widerstehen, sie zu öffnen. Ich wurde tatsächlich angewiesen, einer Patientin einen Termin einzuräumen, die sich zur Bestätigung in den nächsten Tagen telefonisch melden würde. Hat sie natürlich nicht.
So viele Fragen
Daraus ergaben sich für mich viele offene Fragen: Warum war der Termin so dringend, dass die TSS eingeschaltet werden musste?
Warum hat der hausärztliche Kollege, der ja die Dringlichkeit mit einem Code bestätigen muss, nicht einfach den Hörer selbst in die Hand genommen? In einem Notfall hätte mir den Patienten sofort angesehen.
Warum kam jetzt der Patient doch nicht?
Wie geht es anderen Kollegen? Haben die auch keine oder nur wenige Zuweisungen?
Erwartet uns nun bald unter dem neuen Minister die nächste „Reform“ oder Verschlimmbesserung, die zwar neue Arbeitsplätze schafft, aber leider nicht im Bereich der Leistungserbringer?
Fakten zum Thema:
Fazit: Terminservicestellen sind ein Rohrkrepierer
Diese Terminservicestellen sind Teil der Reform Gröhe, ein absoluter Rohrkrepierer. Allerdings wird sich keiner aus der Politik trauen, sie wieder abzuschaffen. In der Ära Spahn wird es, wie angekündigt, bald neue und weitere Änderungen geben. Die Ärzte sollen länger und mehr arbeiten. Auch an Samstagen soll es erlaubt sein, Patienten zu behandeln. Von einer Aufhebung der Budgets ist natürlich nicht die Rede. Für die längeren Öffnungszeiten wird mehr Personal benötigt. Also mehr Arbeit für weniger Geld. Sowas sollte man mal der IG Metall und Verdi vorschlagen, wir hätten am nächsten Tag einen unbefristeten Generalstreik.
Letzte Woche war ich übrigens auf einer Veranstaltung für alle niedergelassenen Ärzte der Region. Besonders fiel mir der hohe Altersdurchschnitt der Kollegen auf. Werden wir überhaupt Nachfolger finden, die diese 50- bis 80-Stundenwoche auf sich nehmen wollen? Junge Ärzte stellen sich ihr Berufsleben anders vor.
Wir brauchen mehr Therapeuten, nicht Termine
Ein Psychiater erzählt mir dort ganz entspannt, dass die Terminservicestellen für ihn vollkommen sinnlos seien. Mit einem kurzen Termin sei es in den wenigsten Fällen getan, sodass die positive Wirkung einer Vermittlung schnell verpuffe. Helfen könne nur eine höhere Anzahl an Therapeuten, die aber nicht in Sicht sei.
Ich antwortete, dass es auch eine gesellschaftliche Aufgabe für uns alle sein sollte, die Ursachen des Bedarfs an Psychotherapieplätzen zu erkennen und zu beseitigen. Aber in einer egoistischen und globalisierten Welt sei das wohl eine Illusion.
Der Psychiater lächelte mich daraufhin etwas mitleidig von der Seite an.