Deutschlands Konsumenten ist Gutes nicht gut genug. Sie kippen hochwertiges Leitungswasser in Filterkannen mit Ionenaustauschern. Bei falscher Anwendung verkeimt das zuvor sehr saubere Nass. Und auch mit der Enthärtung ist das so eine Sache.
Leitungswasser gehört zu den bundesweit sichersten und am besten untersuchten Lebensmitteln. „Unser Wasser ist so arm an Schadstoffen, dass man eigentlich keine Tischwasserfilter braucht“, sagt Philip Heldt. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Bereich Ernährung und Umwelt. Die Trinkwasserverordnung regelt, welche Grenzwerte an Schadstoffen einzuhalten sind. Firmen sind um vollmundige Versprechen trotzdem nicht verlegen. Das Wasser soll „hygienisch sauber“ und „kalkfrei“ sein beziehungsweise einen „Gourmet-Geschmack“ bekommen. Bei näherer Analyse entpuppen sich viele Werbeversprechen als Dampfblasen. Mein Faktencheck:
1. Hygiene
Bereits die Trinkwasserverordnung definiert strenge Obergrenzen für Mikroorganismen im Leitungswasser. „Steht Wasser in der Kanne länger, können sich Bakterien vermehren“, warnt Heldt. Auch der Filter selbst verkeime in manchen Fällen. „Schlimmstenfalls drohen Magen-Darm-Infektionen.
In dem Zusammenhang erinnere ich mich an ein mikrobiologisches Praktikum während des Biochemie-Studiums. Wir sollten verschiedene Umweltproben auf einem Gelnährmedium anzüchten. Neben Klassikern wie dem eigenen Fingerabdruck oder der Türklinke machten wir auch Ausstriche von Wasser aus der Filterkanne. Und siehe da, bei dieser Probe wuchsen besonders viele Keime.
Das rudimentäre Experiment haben Experten von „NDR Markt“ professionell nachvollzogen. Testpersonen verwendeten im eigenen Haushalt drei Wochen lang unterschiedliche Wasserfilter, sprich Markenware und Billigprodukte. In allen Fällen fanden Mikrobiologen nach dieser Zeit deutlich höhere Keimbelastungen als zuvor. Zwei Proben überschritten sogar die gesetzlichen Grenzwerte für Leitungswasser. Besonders bei Kindern, alten Menschen oder Patienten mit geschwächtem Immunsystem kann das gefährlich werden.
Gegenüber NDR Markt dementieren Hersteller, dies sei auf ihre Patrone zurückzuführen. Einige verwenden Silber, dessen antibakteriellen Wirkung bei Ärzten und Apothekern lange bekannt ist. „Silber kann aber ausgespült werden und in unserem Körper landen“, warnt Heldt. „In höheren Mengen fördert das Schwermetall unsere Gesundheit nicht unbedingt.“
2. Enthärtung
Aber auch die Werbebotschaft vom weichen Wasser stimmt nur teilweise. Wer im Labor arbeitet oder während des Studiums Praktika hatte, kennt entionisiertes Wasser. Leitungswasser wird durch große Ionenaustauscher gedrückt, und ein Messgerät bestimmt die Leitfähigkeit nach dem Durchlaufen. Je niedriger der Salzgehalt ist, desto schlechter leitet Wasser den Strom.
Solche Messgeräte sucht man an Kannen für den Haushalt vergebens. Hier wird lediglich die Zeit nach Einsetzen von Filtern bestimmt. Hersteller raten meist, alle vier Wochen die Patrone zu wechseln, sprich pro Monat zwischen 15 und 30 Euro auszugeben.
Trotz sachgemäßer Anwendung fiel die Bilanz eher ernüchternd aus. Zwei NDR-Messungen zufolge verringerten handelsübliche Filtersysteme den Kalkgehalt nur mittelprächtig:
Ein Grad deutscher Härte (°dH) 10,0 mg Calciumoxid (CaO) je einem Liter Wasser.
Nachdem wir unser Nass teilweise entkalkt haben, kaufen wir im Alter für teures Geld Nahrungsergänzungsmittel mit Calcium und D-Vitaminen, um gegen Osteoporose anzugehen. Eine gesündere Ernährung mit Calcium-haltigem Wasser wäre sinnvoller.
3. Geschmack
Auch der Geschmackstest fiel beim NDR ernüchternd aus. Von 20 Verbrauchern fanden im Rahmen einer Blindverkostung 16 reines Leitungswasser besser. Nur vier gaben entsalztem Wasser den Vorzug. Tee oder Kaffee wurden nicht serviert.
4. Entgiftung
Tatsächlich binden Ionenaustauscher – wie der Name schon sagt – Kationen und Anionen als geladene Teilchen. Dazu gehören Nitrate oder Bleisalze, aber nicht ungeladene organische Moleküle wie Pestizide.
Für den flächendeckenden Einsatz von Wasserkannen gibt aus toxikologischer Sicht aber kaum Argumente. Das Umweltbundesamt nennt im „Bericht zur Trinkwasserqualität“, mikrobiologische und chemische Qualitätsanforderungen seien bei über 99,9 Prozent der überwachten Proben eingehalten worden. Um den strengeren Grenzwert von 10,0 µg Blei pro Liter ab Ende 2013 einzuhalten, wurden etliche Bleirohre ausgetauscht. In Einzelfällen sind diese aber noch vorhanden.
„Selbst dann macht ein Filter keinen Sinn“, so Heldt. „Wer zur Miete wohnt, hat ein Anrecht darauf, dass Bleileitungen ausgetauscht werden. Und bei Filtern sieht man nicht, ob Blei wirklich entfernt wird.“ Das gilt auch für Kupferrohre in Neubauten, die erst nach sechs Monaten eine schützende Oxidschicht bilden. Zuvor werden Ionen an das Wasser abgegeben. Erwachsenen macht das nichts aus, unsere Kupfertoleranz ist hoch. Heldts Tipp: „Verwenden sie bei neuen Kupferrohren im Haus ausnahmsweise Mineralwasser für die Babykost."