Die große Hitzewelle ist vorbei. Was sie uns verdeutlicht hat: Die Lagerung von Medikamenten bei unter 25 °C ist extrem wichtig, um die Wirksamkeit zu garantieren. Arzneien werden hingegen beim Transport oft bei über 50 °C weichgekocht. Warum übernimmt niemand die Verantwortung?
Die größte Sommerhitze ist mittlerweile vorbei. Was sie uns in den letzten Wochen deutlich vor Augen geführt hat: Unter der Hitze leiden nicht nur die Menschen. Dasselbe gilt für Arzneimittel – sie sollten zum großen Teil unter 25 °C gelagert werden. Das schreibt die ApBetrO verpflichtend vor. Doch was passiert mit dem Warenlager wenn die Klimaanlage ausfällt? Und wer bestimmt überhaupt anhand welcher Daten, bei welchen Temperaturen die Medikamente gelagert werden sollen? Warum gelten für Versender andere Gesetze als für stationäre Apotheken? Fragen über Fragen zum Thema Hitzewelle in deutschen Apotheken. Zunächst einmal beginnt die Stabilitätsprüfung zu einem Medikament beim Hersteller. Dieser simuliert drei Klimazonen, denen die Arzneimittel standhalten müssen. Die extremste ist dabei der so genannte „Stresstest“. Er soll die Auswirkungen der Temperatur in Intervallen von 10 °C, der Feuchtigkeit und die Auswirkungen von Oxidation und Photo- und Hydrolyse auf den Wirkstoff testen. Alle drei Monate wird die Stabilität getestet, nach drei Jahren ist dann Schluss und die Daten werden der zuständigen Zulassungsbehörde weitergeleitet. Diese entscheidet dann, wie lange die Haltbarkeit bei welchen Temperaturen gewährleistet ist.
Tabletten mit Hitzschaden – oder doch nicht? Wird es dem Zäpfchen zu heiß, dann schmilzt es. Wird es der Tablette zu heiß, dann kann man es mit bloßem Auge oft nicht beurteilen, ob sie Schaden genommen hat. Kam es durch die Hitze zu verstärkter Hydrolyse? Hat vielleicht die Verpackung an den Berührungsflächen mit dem Medikament ungut reagiert? Und wie lange ist sie nun noch haltbar? All das sind Fragen, die im Grunde niemand direkt beantworten kann. Daher ist die einzige logische Konsequenz den Hersteller zu befragen oder die Packung zu entsorgen. Und das wird von den Aufsichtsämtern auch so durchgesetzt. Fällt einmal die Klimaanlage aus, so wird niemand das komplette Warenlager vernichten müssen, wenn die Medikamente einmal für zwei Tage bei 30 °C lagerten. Man geht aber davon aus, dass sich der Verfall von Arzneien bei der Überschreitung der Lagertemperaur von je 10 °C um etwa das Doppelte beschleunigt. Hat diese Überschreitung aber System, und die Apotheke verfügt über keine Kühlung, so wird sie bei der nächsten Revision zu Recht Schwierigkeiten bekommen. In einem Sommer wie diesem, der über Wochen für Temperaturen von 30 °C und mehr sorgte, ist es auf jeden Fall relevant, ob gekühlt wird oder nicht.
Heiße Luft aus Großhandelskisten
Als die Klimaanlage einer Apotheke in Berlin Ende Juli komplett versagte, wurde der Betrieb für vier Tage geschlossen. Der Inhaber musste alle Herstellerfirmen seiner Lagerware kontaktieren und nach dem weiteren Vorgehen befragen. Erschreckend ist auch die Hitze, die einem aus den Großhandelskisten nach deren Öffnung entgegenschlägt. Da werden auch temperaturlabile Medikamente bei gut 50 °C und mehr im Transporter weich gekocht. Noch schlimmer ist die Lage bei Medikamenten, die aus dem benachbarten Ausland kommen: Sie werden ohne jegliche Kühlung drei Tage im Auto transportiert. Die logische Konsequenz wäre eigentlich bei dem Transport für eine adäquate Kühlung zu sorgen oder eben bei Extremtemperaturen auf den Transport zu verzichten. Anders kann nicht für eine gleichbleibende Qualität der Arzneien garantiert werden. Laut Bundesärztekammer ist bei einer Verhütung mit der „Pille“ bereits bei einer Umgebungstemperatur von 50 °C mit deren Zersetzung zu rechnen. Wenn man nun wieder überlegt, dass ausgerechnet dieses Präparat besonders häufig über Versandapotheken aus dem Ausland bestellt wird, weil es da so schön billig ist … Die Auswirkungen falscher Sparsamkeit können fatal sein. Auch bei weniger einschneidenden Folgen ist es mehr als ärgerlich, wenn die bestellten Medikamente durch zu hohe Temperaturen an Wirksamkeit einbüßen.
Wer übernimmt jetzt Verantwortung?
Ein Apotheker hat sich im letzten Jahr die Mühe gemacht und Döderlein Vaginalkapseln bei unterschiedlichen Versendern bestellt – sie kamen allesamt verklebt und verschmolzen bei ihm an. Verändert hat sich durch diese Aktion – die durchaus in den Medien präsent war – gar nichts. Die Versender stehen auf dem Standpunkt, dass sie bis zur Übergabe des Medikamentes an den Transporteur für die korrekten Temperaturen zu sorgen haben. Was während der Fahrt passiert, sei nicht mehr ihr Problem.
Die Politik interessiert sich für diese Ungleichbehandlung überhaupt nicht. Und so lange die Apothekerschaft sich nicht dagegen wehrt, wird auch weiterhin nichts passieren. Im Sinne der Arzneimittelsicherheit sollte dieses Thema aber zeitnah angegangen werden!