Forscher konnten beweisen, dass sich Nervenzellengruppen im Gehirn arealübergreifend organisieren. Das funktioniert dank einer Elite von Zellen, die rhythmisch untereinander kommunizieren. Dadurch kann man zukünftig Krankheiten wie Autismus und Schizophrenie besser analysieren.
Neurowissenschaftler vom Leibniz-Institut für Primatenforschung nahmen den Informationsfluss zwischen den Hirnarealen erstmals auf der Ebene einzelner Nervenzellen unter die Lupe und zwar durch Studien mit Rhesusaffen. Bei Greifbewegungen der Hände findet beispielsweise intensive Kommunikation zwischen Nervenzellen der verschiedensten Hirnareale statt. Außerdem konnten die Forscher zeigen, dass das Netzwerk der unterschiedlichen Gruppen von einigen wenigen Nervenzellen gesteuert wird.
In der Abteilung Neurobiologie am Deutschen Primatenzentrum ist dies nun gelungen, die Aktivität einzelner Nervenzellen zu messen – eine gute Sache, denn die Werte können dabei helfen, die Entstehung neuronaler Krankheiten wie Schizophrenie und Autismus besser zu verstehen.
Nicht alle Nervenzellen funktionieren gleich. Es gibt einige wenige, die eine zentrale Funktion übernehmen und das Netzwerk steuern, indem sie als zentrale Knotenpunkte (hubs) fungieren und den Informationsfluss regeln. Diese Knotenpunkt-Nervenzellen kommunizieren zudem sehr stark untereinander (rich-club) und bilden somit ein arealüberspannendes Rückgrat für Kommunikation.
Besonders interessant daran ist die spezielle Art der Kommunikation: „Diese Knotenpunkte oder hubs haben unverhältnismäßig mehr Verbindungen im Netzwerk als die übrigen Nervenzellen“, erklärt Benjamin Dann. Darüber hinaus beobachteten die Wissenschaftler, dass die Nervenzellen im rich-club rhythmisch aktiv sind und auch mit dem Rest des Netzwerks rhythmisch kommunizieren. Die anderen Nervenzellen sind dagegen vorwiegend arrhythmisch aktiv. Dies lässt vermuten, dass größere Gruppen von Nervenzellen sich untereinander rhythmisch synchronisieren, um Bereiche des Gehirns miteinander zu verbinden und bestimmte Aufgaben zu bewältigen (eLife, 2016).
Wie genau funktiert der Informationsfluss zwischen den Nervenzellen der unterschiedlichen Hirnareale? Das Team um Benjamin Dann untersuchte dafür drei Rhesusaffen und trainierte sie darauf, wiederholt eine Greifaufgabe auszuführen. Während der Bewegung wurde die Aktivität ihrer Nervenzellen in drei verschiedenen Hirnarealen, dem anterioren intraparietalen Kortex (AIP), dem prämotorischen Kortex (F5) und dem primären Motorkortex (M1), mit sogenannten Mikroelektrodenarrays gemessen. Die Hirnregionen bilden zusammen ein neuronales Netzwerk, das die Planung und Ausführung von Handgriffen steuert. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Nervenzellen aller drei Hirnareale ein stark verbundenes Netzwerk bilden, das wiederum in funktionellen Untereinheiten (Modulen) organisiert ist. Überraschenderweise entsprechen diese Module nicht genau den drei betrachteten Hirnarealen. 84 Prozent der Module waren nicht auf ein Areal begrenzt, sondern umfassten auch Nervenzellen der anderen beiden Areale.
Die Studie kann künftig dazu beitragen, neuronale Erkrankungen wie Schizophrenie oder Autismus besser zu verstehen, da diese unter anderem durch Störungen von rhythmischer Synchronität wie auch der Netzwerk-Struktur verursacht werden. Die genaue Kenntnis dieser Prozesse im Gehirn ist wichtig, um neue Therapien entwickeln zu können. Originalpublikation Dann, B. et. al; Uniting functional network topology and oscillations in the fronto-parietal single unit network of behaving primates, doi: 10.7554/eLife.15719; 2016