Ultraschalluntersuchungen zur Früherkennung eines abdominalen Aorten-Aneurysmas (AAA) werden in Deutschland für Männer ab 65 Jahren empfohlen. Eine schwedische Registerstudie bezweifelt nun den Nutzen dieser Empfehlung. Entgegen bisheriger Studienergebnisse hatte ein in Schweden etabliertes bevölkerungsweites AAA-Screening die krankheitsbezogene Mortalität nur geringfügig senken können.
"Aufgrund der geringen Wirksamkeit und des wenig überzeugenden Nutzen-Risiko-Verhältnisses sollte der Nutzen eines AAA-Screenings neu bewertet werden",fordern die Studienautoren um Dr. Minna Johansson, Universität Göteborg/S. Die klinische Bedeutung einer solchen flächendeckenden Früherkennungsuntersuchung sei in der heutigen Zeit fragwürdig.
Abdominales Aorten-Aneurysma (AAA) in Klinik und Praxis Doch nicht nur in Schweden, sondern auch im internationalen Vergleich ging die AAA bedingte Sterblichkeit im Vergleichszeitraum deutlich zurück: In Schweden starben Anfang 2000 im Mittel 36 von 100.000 Männern pro Jahr im Alter zwischen 65 und 74 Jahren an Komplikationen eines abdominalen Aneurysmas, im Jahr 2015 dagegen nur noch 10 Patienten.
Populärwissenschaftliche Irrtümer Es ist ein weit verbreiteter Irrtum zu glauben, erfolgreiche Krankheits-Screening-Programme würden als Früherkennungsmaßnahmen unmittelbar auf die krankheitsbezogene und allgemeine Morbidität bzw. Mortalität durchschlagen können: 1. werden damit verbundene, häufige Komorbiditäten (z.B. NPL, Diabetes, KHK, Herzinsuffizienz, COPD) ausgeblendet, 2. besonders seltene inzidente bzw. prävalente Erkrankungen können dabei rein statistisch die Gesamt-Morbidität und -Mortalität gar nicht signifikant beeinflussen und 3. Fortschritte in der Therapie bzw. im Interventionsniveau (z.B. minimal-invasiv, Katheter-gestützt, operativ) werden damit ignoriert.
Primärprävention anderes Thema Primärprävention mit anderen Zielsetzungen (z.B. aktive Lebensstiländerungen, Nikotinabstinenz, Alkohol- und Gewichtsreduktion, Aktiv-Sport und -Bewegung als Prävention von Bindegewebsschwäche, Vermeidung des metabolischen Syndroms) beleuchtet dabei ein völlig anderes Thema.
Fakten-Check Der Fakten-Check: "Beim Bauchaortenaneurysma handelt es sich um eine durch pathologische Wandveränderungen hervorgerufene Verbreiterung aller Wandschichten der Aorta abdominalis auf einen Durchmesser > 3cm (normal 2cm). Charakteristischerweise sind die Aneurysmen zwischen den beidseitig abgehenden Aa. renalis (infrarenal) und der A. mesenterica inferior lokalisiert und beziehen in 5% der Fälle die hier bestehenden Gefäßabgänge mit ein. In 20% der Fälle manifestiert sich eine Ausdehnung auf Beckenarterien... Die Inzidenz liegt bei ca. 40/100000/Jahr, wobei insbesondere Männer (M: F: 5:1) über dem 65. Lebensjahr betroffen sind. Eine familiäre Häufung besteht in 20% der Fälle.
Hauptrisikofaktor ist die arterielle Hypertonie Mit Zunahme des Aortendurchmesser steigt auch das Rupturrisiko (pro Jahr): Aortendurchmesser < 4cm: Rupturrisiko 0%. Aortendurchmesser 5-6cm: Ruprisiko 3-15%, Aortendurchmesser 7-8cm: Rupturrisiko 20-40% und Aortendurchmesser > 8cm: Rupturrisiko 40-60%." - gekürzt nach http://www.medizin-wissen-online.de/index.php/chirurgie/108-gefaesschirurgie/134391-bauchaortenaneurysma-baa-abdominales-aortenaneurysma-aaa
AAA-Studie im Deutschen Ärzteblatt Eine Übersichtsarbeit im Deutschen Ärzteblatt "Inzidenz, Therapie und Letalität abdominaler Aortenaneurysmen - Sekundärdatenanalyse der deutschen DRG-Statistik von 2005–2014" [Incidence, treatment and mortality in patients with abdominal aortic aneurysms—an analysis of hospital discharge data from 2005–2014] im Dtsch Arztebl Int 2017; 114(22-23): 391-8; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0391 von A. Kühnl et al. https://www.aerzteblatt.de/archiv/189076/Inzidenz-Therapie-und-Letalitaet-abdominaler-Aortenaneurysmen beschreibt in ihren Schlussfolgerungen: "Die Krankenhausinzidenz des AAA [abdominales Aortenaneurysma] nahm zwischen 2005 und 2014 zu, bei abnehmender Anzahl an rAAA [rupturiertes abdominales Aortenaneurysma]. Die Versorgung erfolgte zunehmend endovaskulär, sowohl bei nrAAA [nicht rupturiertes abdominales Aortenaneurysma] als auch bei rAAA. Die Krankenhausletalität nahm bei nrAAA und rAAA ab."
Fragwürdige Deutung der schwedischen Studie Im Gegensatz dazu bleibt die Interpretation in: "Benefits and harms of screening men for abdominal aortic aneurysm in Sweden: a registry-based cohort study" von Minna Johansson et al. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)31031-6/fulltext mit: "Interpretation - AAA screening in Sweden did not contribute substantially to the large observed reductions in AAA mortality. The reductions were mostly caused by other factors, probably reduced smoking. The small benefit and substantially less favourable benefit-to-harm balance call the continued justification of the intervention into question" völlig unsinnig und substanzlos. Der untaugliche Versuch, die Verringerung der abdominalen Aorten-Aneurysma-Mortalität "wahrscheinlich" mit reduziertem Rauchen zu verbinden, gehört in das Reich der Konfabulationen.
Verbesserte Früh-Detektion und -Therapiequalität entscheidend Es sind erstrangig die verbesserten Untersuchungs-, Diagnose- u n d interventionell differenzierten Therapie-Maßnahmen beim abdominalen Aortenaneurysma [AAA], welche weit vor den Früherkennungs-Programmen für die Senkung der krankheitsspezifischen Mortalität verantwortlich sind. Qualifizierte Diagnostik, differenzialdiagnostisches Denken bzw. adäquate, risikoadaptierte Interventionen prägen verbesserte Prozess-, Ablauf- und Ergebnis-Qualitäten.
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