Seit mehr als 15 Jahren sind mit Sauerstoff angereicherte Getränke auf dem Markt. Anfangs warben Hersteller mit dem Versprechen, den Trinkenden aktiver zu machen, jetzt sind sie vorsichtiger. Ob das eventuell etwas mit fehlenden Beweisen zu tun haben könnte?
Sie heißen „OGO Designwasser mit Sauerstoff“, „Active O2“, „O2 Life“ oder „OXYWELL-Sauerstoffwasser-Zubereiter“: Vor etwa 15 Jahren überrollte eine Welle an speziellen Erfrischungsgetränken unsere Läden. Das besondere an ihnen: Sie enthalten eine Extraportion Sauerstoff. Hat eine solche Anreicherung irgendwelche gesundheitlichen Vorteile?
Bereits 1926 berichteten Forscher vom Gasaustausch zwischen dem Gastrointestinalsystem und umgebenden Blutgefäßen, wenn auch nur im Tierexperiment und in geringem Umfang. Mehr als 30 Jahre später wurden die Experimente wiederholt – mit dem Resultat, dass aufgenommener Sauerstoff im Gesamtorganismus keine entscheidende Rolle spielt. Das Gas gelangt in wenig relevanter Menge vom Bauchraum in die Pfortader. Ein mögliches Zielorgan könnte die Leber sein. In vitro verstärkt ein niedriger Sauerstoff-Partialdruck den toxischen Effekt von Ethanol. Vielleicht gehen entzündliche Leberererkrankungen mit einem erhöhten Sauerstoffbedarf einher, vermuteten Ärzte in einem älteren Übersichtsbeitrag. Randomisierte kontrollierte Studien gibt es jedenfalls nicht.
Das mag Dr. László Berzenyi wenig gestört haben. Laut eines Übersichtsbeitrags im Portal „Deutsche Getränke Wirtschaft“ geht das Verfahren zur Sauerstoffanreicherung auf ihn zurück. Der ungarische Lebensmittelingenieur erhielt 1987 ein Patent und seine Kunden warben fleißig mit diversen Versprechungen.
Hersteller versprachen zu viel
Sie versprachen mehr Leistungsfähigkeit und mehr Vitalität. Ihre Wässerchen sollten dem Stoffwechsel Beine machen, sprich zur verstärkten Verbrennung von Körperfett führen. Effekte auf unseren Kreislauf beziehungsweise unsere Atmung wurden ebenfalls angeführt.
Damit ist seit Jahren Schluss: Die europäische Health Claims-Verordnung regelt gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln. Solche Slogans müssen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen werden, was bei keinem Sauerstoff-Wasser geschehen ist. Heute preisen Firmen „Erfrischung“ oder „Durstlöscher“ an. OGO spricht vom „unglaublichen Sauerstoffanteil, der über 35 Mal so hoch ist wie bei normalem Mineralwasser“. Und weiter: „Sauerstoff gilt dabei als die Quelle des Lebens und versorgt die Zellen und viele Konsumenten teilen uns mit, dass Sie den Genuss auch innerlich spüren.“ Geschickt formuliert!
Dazu ein paar Zahlen. Pro Tag nehmen wir über unsere Atmung 12.000 Liter Luft pro Tag auf. Unser Sauerstoffumsatz in Ruhe liegt bei 150 bis 300 ml/min (9,0 bis 18,0 l/Stunde oder 216 bis 432 l/Tag). Die Dichte von Sauerstoff beträgt 1,43 g/l. Damit benötigen wir maximal 618 g Sauerstoff pro Tag. Leitungswasser enthält maximal 10 mg Sauerstoff/l, und im angerreicherten Sprudel sind es 40 bis 200 mg/l. Die Mengen sind - verglichen mit dem täglichen Bedarf unseres Körpers - irrelevant. Und beim Öffnen verschwinden weitere Anteile. Doch was steckt wissenschaftlich hinter dem Mythos Sauerstoff-Sprudel?
„Selbst wenn sauerstoffangereichertes Wasser zur Sauerstoffversorgung des Körpers beitragen würde, wäre der Beitrag im Verhältnis zum eingeatmeten Sauerstoff minimal,“ sagt Silke Restemeyer zu DocCheck. Sie arbeitet als Ökotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Positive Wirkungen wie eine Steigerung der Leistungsfähigkkeit, Förderung des Stoffwechsels, insbesondere der Fettverbrennung sowie der Linderung von Erkrankungen des Atmungsapparates und Kreislaufsystems seien „sehr unwahrscheinlich“. Ihr Fazit: „Es gibt bislang keine wissenschaftlichen Belege für eine positive Wirkung auf die Gesundheit von Wasser, das mit Sauerstoff angereichert wurde. Um den Sauerstoffstatus des Organismus zu verbessern, ist es daher nicht sinnvoll, mit Sauerstoff angereichertes Wasser zu trinken.“
Es gibt aber sinnvolle Alternativen: Preiswerte und effektive Maßnahmen sind laut Expertin körperliche Aktivitäten wie Joggen und Walken. „Denn durch Bewegung verbessert sich die Sauerstoffversorgung des Körpers – und damit die Leistungsfähigkeit“, fasst Restemeyer zusammen.