Sobald irgendwo erwähnt wird, dass die Arbeit in der Klinik kräftezehrend sein kann, reagieren viele Menschen mit Gehässigkeit. Immerhin verdienen Ärzte doch so viel. Und außerdem haben wir uns diesen Beruf selbst ausgesucht. Ja, das ist so. Und trotzdem ist es manchmal hart.
Geht es um die Arbeitszeit oder die Entlohnung von Ärzten, dann begegnet einem in Artikeln und Diskussionen häufig eine Mischung aus Neid und Gehässigkeit, zumindest empfinde ich das so. Ja, ich habe mir das Studium selbst ausgesucht und mir geht es sehr gut.
Ich wohne in einer trockenen, warmen Wohnung, habe genug zu essen und fahre ein- oder zweimal im Jahr in den Urlaub. Vor kurzem habe ich mir spontan ein neues Rad gekauft, einfach weil es mir gefiel.
Ich bin sehr dankbar für das, was ich habe. Und trotzdem denke ich, dass es deshalb nicht verpönt sein sollte, wenn man sich für gute Arbeitsbedingungen und das Einhalten von Arbeitszeitgesetzen einsetzt. Oder sich schlicht und einfach ab und zu über den Stress auf der Arbeit beschwert. Und ja, auch die Pflege hat es oft hart und stressig, wie viele andere Berufsgruppen auch.
Der Arztberuf kann hart sein
Ich bin der Meinung, dass solche Debatten oft am fehlenden Grundverständnis für den ärztlichen Beruf scheitern. Mein Mann arbeitet in einem nicht medizinisch-klinischem Bereich, aber trotz seiner Tätigkeit in einem Spital habe ich oft das Gefühl, dass ich nicht einmal ihm wirklich erklären kann, was es bedeutet, täglich diesem emotionalen und handwerklich-technischen Stress in Verbindung mit stundenlanger Büroarbeit ausgesetzt zu sein. In Wochen mit maximaler Auslast sprechen wir teilweise von mehr als 80 Stunden pro Woche.
Der ärztliche Realtität in einem öffentlichen Spital liegt jenseits von Golfspielen mit güldenen Bällen, Privatjet oder lustigem Scrubsalltag. Tagtäglich wechselt man im Minutentakt zwischen sofort, gleich oder später sterbenden Menschen, schockierenden Blutungen, eingebildeten Krankheiten, traurigen Hinterbliebenen und einfachen Appendektomien hin und her. Das schlägt trotz Routine und starkem Charakter gelegentlich auf die eigene Laune und Psyche.
Wir haben viel zu verarbeiten
Man versucht die nahezu täglich vorkommenden Traumata – tote 14-Jährige auf dem Tisch aufgrund Leberruptur nach Skiunfall, 30-Jährige mit Hirnblutung nach Frontalkollision im Rahmen eines Suizidversuches, metastasiertes Rektumkarzinom bei einer jungen Mutter mit einem einjährigen Sohn, Ruptur eines vorher nicht bekannten Aortenaneurysmas eines 40-Jährigen und so weiter und so fort – zu verarbeiten ohne durchzudrehen.
Währendessen werden die „hochnäsigen, schnöseligen Ärzte“ in den Kommentarspalten unter Artikeln gemobbt, in denen es um Stress im Arztberuf geht, ohne jegliche Empathie.