Der dritte Teil der Kurzgeschichte 'Der kleine Ery' ist online! Eine Operation ist kein Kinderspiel. Weder für Geist noch für Körper. Doch wie erlebt unser Körper solch einen unvorbereiteten Eingriff? Folgen Sie dem kleinen Ery auf seiner Reise! Der dritte von fünf Teilen einer bezaubernden Kurzgeschichte, die zu einem kleinen Schmunzeln zwischen all den ernsten Problemberichten führen soll.
Es war wieder ruhiger geworden. Die Aufregung war vorbei. Er wusste nicht, wie lange er so umhergetrieben war. Hilfesuchend sah er sich um. Plötzlich entdeckte er eine Gruppe gelber, noch nie gesehener eckiger Wesen, die einen Schutzschild vor sich trugen. Langsam näherte sich der kleine Ery.
„Hallo“, sagte er zögerlich, „wer seid ihr?“
Die gelben Ecken sahen sich zu ihm um und antworteten ihm: „Wir sind die Penicillinis. Wir sind von außen geschickt worden, um euch Körperzellen zu helfen.“
„Zu helfen? Aber wobei denn?“, fragte der kleine Ery verunsichert, während er sich versuchte vorzustellen, wo diese eckigen Gestalten die runden Sauerstoffmoleküle unterbringen wollten.
„Wir sind Antibiotika. Wir schützen den Körper vor Bakterien.“
Bakterien…der kleine Ery überlegte…er hatte auf seiner Reise bisher ein Bakterium kennengelernt, als er gerade im Kapillarnetz des Darms festgesteckt hatte. Dieses Bakterium war sehr nett gewesen. Doch er wusste aus Erzählungen, dass es auch andere gab. Böse Bakterien, die Waffen mitbrachten, gegen die sich die Körperzellen nicht zu helfen wussten.
„Aber wieso brauchen wir gerade jetzt eure Hilfe?“, fragte der kleine Ery zögerlich. Da sahen ihn die Penicillinis verwundert an und sagten: „Hast du es denn noch nicht erfahren? Der zweite Femurkopf ist von uns gegangen.“
Erschrocken und berührt zugleich starrte der kleine Ery die fremden Wesen an, doch bevor er noch weitere Fragen stellen konnte, wurde er in dem unaufhörlichen Strom weitergetrieben. Denn eine goldene Regel, die sie früh gelernt hatten, war, sich nie zu lange an einem Ort aufzuhalten, denn dies konnte fatale Folgen für den Menschen mitbringen, den sie Tag für Tag versorgten.
Der Femurkopf, überlegte er der kleine Ery, war wohl tatsächlich so krank gewesen wie einige erzählt hatten. In letzter Zeit hatte man dort regelmäßig die meisten Immunzellen antreffen können, die immer wieder vergeblich versucht hatten, alles in Ordnung zu bringen. Gedankenverloren setzte er seine weitere Reise fort, bis er wie so oft in dem kräftigen, linken Becken feststeckte und ihm der Gedanke kam, dass er mittlerweile erfahren genug war, sich dem Gehirn zu nähern. Ruckartig wurde er in die Aorta geschleudert, von wo aus er diesmal den zweiten Ausgang nahm und über die Carotiden in das undurchschaubare Labyrinth des Gehirns gelangte. Ehrfürchtig ließ er sich - seine vier Sauerstoffmoleküle fest umklammernd – treiben, bis er schließlich an der Kommandozentrale vorbeitransportiert wurde und einen Blick hinein erhaschte. Gerade fand eine der berüchtigten Konferenzen statt.