Nachtdienste find ich immer etwas mühsam. Man muss den Tag-Nacht-Rhythmus umstellen, wechselt anschließend direkt von dem Nacht- in den Tagdienst. Und die Notfälle sind nachts etwas spezieller als tagsüber. Das kommt mir zumindest so vor.
So kommt es also, dass ich um vier Uhr morgens zur Notaufnahme schlurfe. Verdachtsdiagnose: Appendizitis. Es ist ein junger, ansonsten gesunder Herr, ich untersuche ihn, erkläre ihm die Blutwerte und führe einen Ultraschall durch. Die Diagnose ist einfach und klar. Die Therapie und somit die Lösung des Problemes auch. Schritt für Schritt erkläre ich dem Patienten die laparoskopische Appendektomie.
Für mich ist der Fall klar, aber nachdem ich ihm die Operation erklärt habe, fragt er mich nach einer medikamentösen Therapie mittels Antibiotika. Innerlich seufze ich kurz. Aber es ist ja eigentlich eine sehr berechtigte Frage, weswegen ich ihm die Vor- und Nachteile beider Optionen erläutere. Ich erkläre ihm auch, warum ich zur Operation rate und dass ich das nicht tue, nur weil ich Chirurgin bin und sonst zu wenig zu tun wäre. Plötzlich hält er mir sein Handy hin. Ich blicke fragend in sein Gesicht.
Aber es gibt hier diesen Artikel …
„Können Sie sich bitte kurz Zeit nehmen und sich den Artikel durchlesen?“
Ich glaube, ich seufze nun nicht mehr nur innerlich. „Ich habe mich schon genug in das Thema eingelesen …“
Doch er hält mir noch mal sein Telefon hin. Es ist vier Uhr morgens. Ich bin hundemüde. Auf der Station müssen noch einige Patientinnen begutachtet werden. Herr H. ist hypoton, Frau P. blutet aus dem Stoma, ich habe seit Stunden nichts gegessen …
Aber um die ganze Geschichte abzukürzen, nehme ich sein Telefon in die Hand. Irgendein gegoogelter Artikel über die antibiotische Therapie einer Blinddarmentzündung. Ich überfliege ihm zuliebe den Text, lege sein Telefon zurück auf das Notfallbett und fasse noch einmal kurz zusammen, warum ich ihm zur Operation rate und sage ihm, dass ich ihn natürlich zu nichts zwinge. Letztendlich frage ich, warum er meinen Vorschlag ablehne.
„Ich halte nichts von Operationen.“