Um ADHS-Patienten langfristig zu helfen, gibt es verschiedene Ansätze. Wissenschaftler konnten jetzt nachweisen, dass sich impulsives Verhalten der Patienten durch Neurofeedback reduzieren lässt. Die Verhaltensänderung ließ sich auch auf neuronaler Ebene im Gehirn beobachten.
„In den letzten Jahren haben wir immer wieder versucht neue Therapieansätze zu finden, wie man ADHS-Symptome von Kindern und Jugendlichen reduzieren und ihnen somit den Alltag zu Hause und in der Schule erleichtern kann“, sagt Psychologin und Studienautorin Annet Bluschke. Medikamente sind ein Teil der Behandlung, allerdings kann auch ein intensives Training helfen, so die Vermutung der Wissenschaftler. „Seit zweieinhalb Jahren bieten wir daher Neurofeedback als Therapieansatz für Patienten mit ADHS an. Mittlerweile liegen die ersten Studienergebnisse vor, die belegen, dass diese Form der Therapie eine messbare Verbesserung für die Patienten bringt“, so die Psychologin weiter.
Beim Neurofeedback geht es um eine direkte Rückmeldung der eigenen Gehirnaktivität auf dem Computerbildschirm. Zu diesem Zweck sollten die Kinder unter anderem ein Auto auf dem Computerbildschirm bewegen und versuchen, gegen den Computer zu gewinnen. Auf diesem Weg ist es möglich, dass der Blick auf die eigenen Gedanken geschult wird und der Patient sich selbst zu kontrollieren lernt. „Bei Kindern mit der Diagnose AD(H)S geht es hier vor allem darum, das eigene Verhalten und die Konzentration besser selber steuern zu können“, so Bluschke. In die Studie wurden neunzehn Kinder mit ADHS einbezogen und in jeder der sechzehn Sitzungen wurde Neurofeedback durchgeführt. Ziel und Herausforderung war es, dass die Patienten erlernen bestimmte Gehirnwellen so zu regulieren, dass die Konzentration steigt bzw. besser gesteuert werden kann. Um zu untersuchen ob dieser Therapieansatz tatsächlich die gewünschten Effekte bringt, erfolgte ein Vorher-Nachher-Vergleich.
Die Neurofeedbackpatienten absolvierten vor Beginn und nach Ende der achtwöchigen Therapie eine Reaktionsaufgabe, während gleichzeitig die Gehirnaktivität im EEG gemessen wurde. Hier mussten die Patienten auf einen „Drückimpuls“ hin eine Taste betätigen. Wurde stattdessen ein „Stoppsignal“ eingeblendet, musste die Antwort zurückgehalten werden. Damit konnte gemessen werden, wie gut die Kinder ihr Verhalten entsprechend der äußeren Reize steuern können. Nach dem Neurofeedback hatten sich die Patienten besser im Griff als die Vergleichsgruppe, deren Selbstkontrolle nicht trainiert wurde.
Dies spiegelt sich sowohl im erfolgreichen Zurückhalten des Tastendruckes als auch in der Verbesserung zugrundeliegender neuronaler Mechanismen wider, die nur bei den mit Neurofeedback behandelten Patienten auftrat. Insgesamt beobachteten die Forscher dabei, dass neben den wichtigen Effekten des Neurofeedbacks auf die impulsiven Verhaltensweisen der Kinder auch konkrete Veränderungen in der Gehirnaktivität auftraten. Demnach scheint ein speziell eingesetztes Neurofeedbackverfahren zu Veränderungen in bestimmten Hirnarealen zu führen. Das heißt: Die typischen impulsiven Verhaltensweisen werden auf Verhaltensebene und neuronaler Ebene deutlich reduziert. Dies zeigt, dass Neurofeedback nicht nur oberflächlich wirkt, sondern tatsächlich zu einer Veränderung im Gehirn führt. ADHS Patienten lernen so, sich besser zu steuern.
Langfristig ist es geplant zu untersuchen, ob die beschriebenen Effekte auch sechs Monate nach Ende der Therapie noch anhalten und ob Neurofeedback eine ähnliche Wirkung wie der Einsatz von Medikamenten haben kann. Originalpublikation: The neuronal mechanisms underlying improvement of impulsivity in ADHD by theta/beta neurofeedback Annet Bluschke et al.; Scientific Reports 6, doi: 10.1038/srep31178; 2016