Die Homöopathie darf in unserer Mitte bleiben. Das hat der Bundesärztetag beschlossen. Ich komme in der Klinik und auf Spielplätzen mit dem Thema in Berührung. Das kostet mich Unmengen an Geduld. Dennoch denke ich, es wäre falsch, die Homöopathie kategorisch auszuschließen.
Die deutsche Ärzteschaft hat sich für die ärztliche Zusatzbezeichnung Homöopathie ausgesprochen. Der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Montgomery betonte, es sei wichtig, dass eine homöopathische Behandlung von jemandem durchgeführt werde, der wisse, wann die Homöopathie nicht mehr helfen kann und dann auf normale schulmedizinische Verfahren umsteigen könne.
Die Homöopathie bleibt also in unserer Mitte. Sie wird nicht ausgegrenzt und die schulmedizinisch geprägte Ärzteschaft bleibt offen für die Diskussion. Gerne würde ich als Unfallchirurgin sagen, es betrifft mich nicht und ich habe keine Berührungspunkte mit dem Thema.
Homöopathie: Auch in der Unfallchirurgie ein Thema
Der Alltag spiegelt aber ein anderes Bild wider. Die Patientin mit der eitrigen Handphlegmone wünscht einen alternativen Heilungsversuch. Die Mutter eines vierjährigen Jungens mit gebrochenem Unterarm steht der notwendigen operativen Versorgung skeptisch gegenüber, da sie sonst nur homöopathisch behandelt. Die Patienten packen auf Visite die Kügelchen aus und fragen, ob sie sich denn mit den anderen Medikamenten vertragen würden.
Natürlich könnte ich mich kategorisch verschließen. Abwinken. Erledigt. Aber kann ich das auch mit den Patienten machen? Funktioniert das kategorisches Ausschließen hier? Nein, die Ärzteschaft entscheidet sich mehrheitlich dagegen.
Top-Thema auf dem Spielplatz
Als Mutter begegne ich der Homöopathie sogar noch häufiger. Sie gehört neben Kitaplatz und Schwiegermutterproblemen zu den Top Drei der Gesprächsthemen auf Spielplätzen: Der achtjährige Nachbarsjunge muss nun doch an Polypen und Mandeln operiert werden, da er nach jahrelanger homöopathischer Therapie der chronischen Mittelohrentzündungen 60 Prozent seines Hörvermögens verloren hat und sich in der Schule nicht mehr konzentrieren kann.
Die zweijährige Tochter der Freundin hat aufgrund einer Blasenentzündung schon seit drei Wochen Fieber und Bauchschmerzen. Aber die homöopathischer Therapie schlägt langsam an.
Die schlimme Bindehautentzündung des dreijährigen Kindergartenjungen heilt nur schleppend, weshalb er nun die zweite Woche nicht in den Kindergarten gehen kann. Behandelt wird nur homöopathisch.
Mütter, die an ihre Kinder mit den üblichen blauen Flecken die Notfall-Arnika-Kügelchen verteilen, sind erlebter Spielplatzalltag.
Zuhören, erklären, abwarten, vertrauen
Beispiele, die ich selbst nur schwer nachvollziehen kann. Weder medizinisch noch menschlich, ethisch oder pädagogisch. Bei denen ich immer wieder hoffe, dass der behandelnde homöopathisch arbeitende Arzt seine schulmedizinischen Wurzeln nicht vergessen hat und ebenfalls kein kategorisches Ausschließen der Schulmedizin praktiziert.
Was gefällt den Patienten an der homöopathischen Behandlungsweise? Es ist eine „sprechende und hörende Medizin“. Und dafür sind sie bereit, sehr viel Geduld mitzubringen und Schmerzen auszuhalten. Erstaunlicherweise gibt es hier auch kaum Beschwerden, keine Patienten, die sich über ärztliche „Kunstfehler“ ärgern.
Homöopathie-Debatte ersetzen
Also höre ich zu und lerne. Ich versuche in der Diskussion zu bleiben. Zu erklären, warum aus schulmedizinischer Sicht ein Einschreiten notwendig ist. Oder eben aufzuzeigen, warum die Besserung der Symptome noch einige Zeit dauern wird.
Zuhören und Abwarten wird allerdings in unsererm System (noch?) nicht ausreichend vergütet. Ein homöopathisches Gespräch übrigens schon. Zuhören und abwarten schafft Vertrauen.
Lieber Ärztetag, wie wäre es also mit einer Diskussion, die sich um bessere Vergütung für Anamnese, Zuhören, Abwarten und Vertrauen dreht? Vielleicht braucht es dann keine Homöopathie-Debatte mehr.