Seit Mitte der Neunziger bewegt sich die Infektionsrate bei sexuell übertragbaren Krankheiten wieder deutlich nach oben. Grazer Forscher haben die acht häufigsten STDs unter die Lupe genommen und geben Aufschluss über Entstehung, Übertragung und Behandlung.
Sexuell übertragbare Krankheiten (STDs) sind weltweit auf dem Vormarsch. Laut einer Schätzung der WHO stecken sich weltweit täglich etwa eine Million Menschen mit einer sexuell übertragbaren Krankheit an. Im Jahr 2014 wurde die höchste Zahl neuer HIV-Infektionen seit Beginn der Aufzeichnungen in den 1980er Jahren bekannt gegeben. Die Krankheiten, die durch ungeschützten Geschlechtsverkehr entstehen können, führen zu vielen, oft lebensbedrohlichen Komplikationen: entzündliche Beckenerkrankungen, Unfruchtbarkeit, Gebärmutterhalskrebs oder Fetaltod sind nur einige Beispiele.
Weltweit am meisten verbreitet sind Syphilis, Gonorrhoe, Chlamydien, Trichomoniasis, Hepatitis B, Herpes-simplex-Virus, HIV und humanes Papillomavirus. In ihrem neuesten Bericht gehen Prof. Madeo und Dr. Carmona-Gutierrez vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz auf diese Krankheiten ein und geben Aufschluss über Entstehung, Übertragung und Behandlung.
Die WHO berichtet, dass sich in Europa die Infektionsraten von Gonorrhoe zwischen 2008 und 2014 mehr als verdoppelt hat. Im Jahr 2014 wurde außerdem die höchste Infektionsrate dieser Krankheit seit Beginn der 1980er verzeichnet. Zwar ist die Ansteckungsgefahr bei STDs im Alter zwischen 15 und 24 Jahren am höchsten, aber auch die Zahl der Infektionen der über 50-jährigen nimmt deutlich zu. Das liegt zum einen daran, dass die Menschen einfach länger leben, zum anderen aber auch am zu geringen Angebot an Anlaufstellen. Der leichte Zugang zu Potenzmitteln ist ein weiterer wesentlicher Faktor.
Warum die Infektionsrate so stark ansteigt, hat unterschiedliche Gründe: Dank verbesserter Untersuchungsmethoden werden sexuelle Erkrankungen viel häufiger erkannt als früher. Dass immer weniger Menschen heiraten, spielt ebenfalls eine große Rolle. Parallel dazu steigt die durchschnittliche Zahl an Sexpartnern im Laufe des Lebens. Auch demographische Entwicklungen haben eine beachtliche Auswirkung: Menschen sind mobiler als je zuvor, reisen beispielsweise öfter und weiter weg. Bei bakteriellen STDs ist die Resistenz gegen Antibiotika ein Phänomen, das in diesem Kontext in den Vordergrund rückt.
Menschen, die sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten infizieren, werden in unserer Gesellschaft nach wie vor stigmatisiert. Ihr Sozialleben ist oft stark beeinträchtigt, der psychische Leidensdruck extrem groß. STDs beeinflussen nicht nur das Wohlbefinden und die Gesundheit Betroffener maßgeblich, sondern stellen auch ein sozioökonomisches Problem dar: „In den USA entstehen jährlich Kosten in der Höhe von 16 Milliarden US Dollar für die Behandlung der acht häufigsten Infektionen“, bestätigt Carmona-Gutierrez. Prävention ist deshalb der zentrale Lösungsansatz, wie die WHO betont. Originalpublikation: Sexually transmitted infections: old foes on the rise Didac Carmona-Gutierrez et. al.;Microbial Cell, doi:10.15698/mic2016.09.522; 2016