Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer Gynäkologin, die mich fragte, ob eine Patientin mit epileptischen Anfällen überhaupt stillen dürfte. Im Gespräch kam sogar die Frage auf, ob man das Jugendamt darüber informieren müsse, dass die Patientin ein Kind bekommen würde.
Mythen, Fragen, Stigmata und Unklarheiten sind heute noch weit verbreitet, wenn es um das Thema Epilepsie und Kinderkriegen geht. Nachdem ich bereits über Empfehlungen zur Schwangerschaft bei Epilepsie-Patientinnen geschrieben habe, möchte ich in diesem Abschnitt über die Entbindung und die Versorgung des Babys nach der Geburt schreiben.
Spontanentbindung? Kaiserschnitt? Stillen – ja oder nein?
In unserer Ambulanz begleiten wir die Patientinnen 4-wöchentlich durch die Schwangerschaft und erleben somit einen Teil der Sorgen und Bedenken live mit. Letztendlich unterscheiden sich die Fragen der Patientinnen mit Epilepsie kaum von denen gesunder Gebärender. Das Wie und Wo in puncto Geburt und die Frage, ob man als Mutter stillen darf, sind immer wieder ein großes Thema, auch bei den Kollegen der Gynäkologie, mit denen wir gern zusammen arbeiten. Deshalb gehe ich im Folgenden auf diese Fragen ein.
Wie: Kaiserschnitt häufig bevorzugt
Prinzipiell kann jede Patientin mit Epilepsie spontan entbinden, wenn sie das möchte. Aus neurologischer Sicht spricht zunächst nichts dagegen. Im Falle eines prolongierten Geburtsverlaufs sollte jedoch immer darauf geachtet werden, die antiepileptische Medikation gemäß des normalen Rhythmus einzunehmen. Sollte es zu einem epileptischen Anfall kommen, kann gern auf ein Benzodiazepin (wir empfehlen hier Clobazam 5-10 mg) zurückgegriffen werden.
Es gibt eine Tendenz, dass bei Patientinnen mit einer Epilepsie häufiger ein Kaiserschnitt oder eine Einleitung durchgeführt wird als bei Patientinnen ohne Epilepsie. Hier liegt sicher die Angst zugrunde, dass es zu Komplikationen im Geburtsverlauf aufgrund eines Anfalls kommen könnte. Die Durchführung eines Kaiserschnitts ist bei wiederholten tonisch-klonischen Anfällen oder einer Bewusstseinsstörung der Mutter zu empfehlen.
Wo: Es gibt Einschränkungen
Geburtshaus, Hausgeburt, Geburtsstation, Krankenhaus der Maximalversorgung – heutzutage gibt es unzählige Möglichkeiten zu entbinden. Für Patientinnen mit einer Epilepsie gibt es hier allerdings einige Einschränkungen. Von neurologischer Seite aus würden wir eine Entbindung in einem Haus mit angeschlossener Neurologie und einer Kinderstation empfehlen. Dieses muss nicht unbedingt ein universitäres Haus sein, aber eine kinderärztliche Direktversorgung sollte vorhanden sein. Aufgrund der antiepileptischen Medikation kann bei dem Baby eine postpartale Anpassungsstörung auftreten, häufig kombiniert mit Schlappheit und einer Trinkschwäche.
Eine neurologische Anbindung ist ferner sinnvoll, um mögliche Epilepsie-spezifische Risiken und Notfälle adäquat behandeln zu können. Weiterhin sollte nach der Entbindung dem Neugeborenen Vitamin K verabreicht werden, da einige antiepileptische Medikamente Enzyme induzieren, die einen Vitamin-K-Mangel hervorrufen können. Aufgrund dieses Mangels besteht bei den Neugeborenen ein erhöhtes Blutungsrisiko, welches durch Substitution verringert werden kann.
Stillen: Faktoren, die berücksichtigt werden müssen
Die verschiedenen antiepileptischen Medikamente gehen in unterschiedlichem Ausmaß in den Blutkreislauf des Neugeborenen über. Trotzdem spricht primär nichts dagegen, das Stillen zu versuchen. Sollte das Neugeborene vermehrt Müdigkeit zeigen, Trinkunlust und eine damit verbundene unzureichende Gewichtszunahme, muss nach Rücksprache mit dem Kinderarzt entschieden werden, ob eine Reduzierung des Stillens ausreichend ist oder ob dieses komplett beendet werden sollte. Die empfohlene Vollstillzeit liegt bei ca. 3-4 Monaten. Genaue Bestimmungen des Blutspiegels beim Neugeborenen sind ebenfalls möglich.
Risikofaktor nächtliches Stillen
Bei vielen Patientinnen musste im Laufe der Schwangerschaft die antiepileptische Medikation aufgrund von fallenden Blutspiegeln erhöht werden. Wichtig ist aus diesem Grund, auch im Wochenbett die Medikamentenspiegel und mögliche Nebenwirkungen im Auge zu behalten und die Dosis ggf. anzupassen. Durch nächtliches Stillen tritt häufig ein Schlafmangel auf, der bei einigen Patientinnen zu einer erhöhten Anfallsbereitschaft oder vermehrten Anfällen führen kann. Eine Unterstützung durch den Partner und die Familie sollte aus diesem Grund angeboten werden.
3 Ratschläge vom Arzt an Patientinnen
Insgesamt ist die Versorgung des Neugeborenen aber unproblematisch durch die Mutter möglich, wenn einige Dinge beachtet werden. Wir empfehlen, nicht auf einem Wickeltisch zu wickeln, sondern lieber auf dem Boden oder dem Sofa. Zum Stillen sollte eine sichere Position eingenommen werden. Eine wichtige Einschränkung betrifft das Baden des Babys, dabei sollten Mütter nicht alleine im Raum sein. Ansonsten sollten Frauen nicht unnötig in der Versorgung des Babys eingeschränkt werden.
Epilepsie ist kein Hindernis
Eine Schwangerschaft ist eine aufregende Reise, die auch nach der Entbindung weitergeht. Bei einer guten neurologischen Betreuung verlaufen die meisten Schwangerschaften und Entbindungen von Epilepsie-Patientinnen nicht sehr viel komplikationsreicher als die von gesunden Frauen ohne Epilepsie. Niemand sollte aus Unsicherheit hierauf verzichten müssen.
Patientinnen sollten von Epilepsie-Spezialisten entweder in einem Epilepsie-Zentrum oder einer Epilepsie Schwerpunktpraxis beraten werden, da hier sicher das meiste Wissen über die Schwangerschaft, die Entbindung und das Wochenbett vorliegt. Für mich gibt es wenig Schöneres, als die Patientinnen durch die Schwangerschaft zu begleiten und sie nach der Entbindung mit dem neugeborenen Baby wiederzusehen.